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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

Mädchen sah. Grete trat an die Chaiselongue und bedeckte den Mund Preßlers mit einer Flut heißester Küsse. „Nur dich allein liebe ich, nur dir allein will ich angehören“, beteuerte die schöne Grete. Preßler zog „Gretchen“ zu sich hinüber. „Wie gern küsse ich dies Rosenmündchen“, seufzte er. Grete Beier: „Damit du, heißgeliebter Kurt, auch siehst, daß ich dir von ganzem Herzen zugetan bin, habe ich dir etwas Schönes vom Jahrmarkt mitgebracht. Erst wollen wir aber Kaffee trinken.“ Nach dem Kaffee lud Preßler „sein herziges Gretchen“ ein, mit ihm ein Gläschen Eierkognak zu trinken. „Gretchen“ lehnte ab. „Dann gieße mir wenigstens ein Gläschen ein, es wird mir um so besser schmecken,“ sagte Preßler. Das will ich gern tun, versetzte „Gretchen“ mit süßem Lächeln. „Gretchen“ goß den Eierkognak in ein Gläschen und ließ unbemerkt ein Stückchen Zyankali in das Glas gleiten. Preßler sagte: „Auf dein Wohl, mein herziges, heißgeliebtes Kind“, und leerte das Glas mit einem Zuge. In demselben Augenblick sank Preßler um, er gab keinen Laut mehr von sich. Grete Beier wollte aber „ganze“ Arbeit machen. Sie zog daher eiligst einen geladenen Revolver aus ihrem Busen. Der Augenblick war günstig. Preßler lag, heftig röchelnd, mit geöffnetem Munde auf der Chaiselongue. Das dämonische Weib steckte ihrem Opfer den Revolver in den Mund und drückte ab. Das Gehirn spritzte weit im Zimmer umher, ein heftiger Blutstrom ergoß sich aus dem zerschmetterten Kopfe Preßlers. Die verruchte Mörderin war reichlich mit Blut besudelt. Sie vermied es aber, sich vom Blut zu reinigen. Eiligst verließ sie die Stätte ihres infamen Verbrechens. Die gebrochenen Augen ihres ermordeten Bräutigams grinsten unheimlich, als wollten sie sie anklagen. Der Abend begann bereits zu dämmern, das Mordzimmer lag im Halbdunkel. Von einer benachbarten Kirche ertönte das Abendgeläut. Ein heftiger Schauer überfiel sie. Die Mörderin lief, so schnell sie es vermochte, zum Bahnhof, um mit dem nächsten

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/285&oldid=- (Version vom 31.7.2018)