Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6 | |
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war. Ich hatte wohl Stiefel für das Land, aber keine für die Stadt, und ich hatte in Frankfurt a. M. meine Sachen verkaufen und zu Gelde machen müssen um die mir in Aussicht stehende Stellung annehmen zu können. Für die Stiefel sind doch auch sehr hohe Preise berechnet, das zeigt schon, daß es Preise für Gewährung von Kredit sind. Die Preise läßt Herr Breitsprecher sich zahlen, weil er einen Namen hat und für das schöne goldene Wappen an seinem Firmenschild. Das müssen wir Kunden bezahlen, weil er Hofschuhmacher ist. – Zeuge Jaenicke, Mitinhaber der Firma Breitsprecher, bekundete: Er habe dem Angeklagten hauptsächlich mit Rücksicht auf seinen klangvollen Namen die Stiefel geliefert. Was die Erwähnung des Schlosses Gracht betrifft, so sei es möglich, daß er zuerst bei der Nennung des Namens Metternich ergänzend gefragt habe „Schloß Gracht“, um damit festzustellen, ob der Angeklagte zu jener Familie Metternich gehöre. Im ganzen habe der Angeklagte 593 M. für Stiefel zu bezahlen gehabt und ein Darlehen von 50 M. erhalten. – Vors.: Der Angeklagte meint, daß die Preise in Ihrem Geschäft von vornherein auf Kreditgeben bemessen seien. – Zeuge: Nein, die Preise sind völlig angemessen. Es werden sogar noch Zinsen berechnet, wenn die Ware nicht bar bezahlt wird. – R.-A. Dr. Jaffé: Würden Sie dem Angeklagten auch Kredit gewährt haben, wenn er nichts vom Schloß Gracht erwähnt hätte? – Zeuge: Jawohl. – Vors.: Haben Sie gegen den Angeklagten den Klageweg beschritten? – Zeuge: Ich habe erst kürzlich geklagt, damit die Sache nicht verjährt. – Als der Angeklagte hierzu längere Ausführungen machte, bemerkte der Beisitzer Landrichter Kriener: Das ist doch aber Plädoyer! – Der Angeklagte geriet darüber in Erregung und erklärte: „Sie kommen mir schon wieder mit Zwischenbemerkungen!“ – Vors.: Ich muß Ihnen derartig unnötige Bemerkungen gegenüber einem Mitgliede des Gerichtshofes entschieden untersagen! – Angeklagter: Ich werde irritiert, wenn ich
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/203&oldid=- (Version vom 23.12.2022)