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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

Gesetz geradezu jämmerlich. Soll der Angeklagte, wenn er hier seine Verteidigung vorträgt, es einfach ignorieren, daß er vor zwei Monaten von einer Zeugin, der der Herr Staatsanwalt das Prädikat „vorzüglich“ gegeben hat, als Lügner gebrandmarkt ist? – Der Verteidiger schloß hieran längere rechtliche Ausführungen über das, was „gerichtskundig“ ist, und fuhr alsdann fort: Der Gegenbeweis des Angeklagten muß zugelassen werden, um Ihnen die richtige Überzeugung von dem Wert oder Unwert der gerichtskundigen Behauptung der Frau Wertheim beizubringen. Ebenso wie sich der Angeklagte dagegen verwahrt, daß der Vorsitzende Dinge nicht als gerichtskundig ansehen will, die es zweifellos sind, verwahrt er sich auf der anderen Seite dagegen, daß Herr Landrichter Kriener Dinge verwertet, die schlechterdings nicht gerichtskundig sind. – Der Angeklagte Graf Wolff-Metternich betonte, daß dieses Ablehnungsgesuch direkt von ihm veranlaßt worden sei. Er selbst dehne diese Ablehnung auf die Ablehnung aller Richter der zehnten Strafkammer des Königlichen Landgerichts I aus und erbitte sich die Namen der Beisitzer. Er sehe sich zu dieser Maßnahme leider dadurch genötigt, weil ihm noch unmittelbar vor dem Termin von seiner Frau mitgeteilt worden sei: es habe ihr jemand aus authentischster Quelle hinterbracht, daß die Kammer bereits ein Urteil nach der vorigen nicht zu Ende gekommenen Verhandlung festgelegt habe. Das Urteil soll lauten: ein Jahr Gefängnis, unter Anrechnung von sechs Monaten der Untersuchungshaft! Das sei eine beispiellose Ungeheuerlichkeit, beispiellos in der Justiz aller Länder und zeige doch wohl, daß das Gericht befangen sei. Jener Richter begründete folgendermaßen das Urteil: „Man könne doch einen Grafen Metternich, der noch dazu der Neffe des deutschen Botschafters in London sei, nicht so lange in Untersuchungshaft lassen, ohne ihn entsprechend zu bestrafen!“ Er beantrage darüber die eidliche Vernehmung seiner Frau und jenes Richters. Seine Befürchtung der Befangenheit

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/155&oldid=- (Version vom 17.1.2024)