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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

ist es jedenfalls, daß die, wenn auch nur fälschliche Bezeichnung mit dem Wörtchen „von“, Baron, Freiherr oder Graf auf weite Volkskreise wie ein Zauber wirkt und das geeignetste Mittel ist, Eingang in die Kreise der besten Gesellschaftsklassen zu finden, sowie die ärgsten Betrügereien zu begehen. Was mit einem wirklichen Grafentitel, ganz besonders wenn er von gutem Klang ist, selbst in der Hauptstadt des Deutschen Reiches fertiggebracht werden kann, ist nicht nur durch den Prozeß wider den Grafen Gisbert v. Wolff-Metternich bewiesen worden. Es gibt eine ganze Anzahl Aktiengesellschaften, die in den Aufsichtsrat vollständig mittellose Grafen und Freiherren wählen, lediglich um durch diese hochtönenden Namen größeres Vertrauen im Publikum zu gewinnen und ihre Aktien besser an den Mann zu bringen. Graf Gisbert v. Wolff-Metternich, ein noch sehr junger Mann, der keineswegs in seinem Äußeren den Grafen verrät, kam vor einigen Jahren vollständig mittellos nach Berlin. Er hatte weder einen Beruf noch irgendwie Neigung zu ehrlicher Arbeit. Sein Vater, der in Holland ein prächtiges Schloß bewohnte und umfangreiche Rittergüter sein eigen nannte, hatte ihn gewissermaßen aus dem Hause gejagt, da er dem Vater nur Verdruß bereitete. Schon als fünfzehnjähriger Gymnasiast hatte Graf Gisbert starken Verkehr mit der weiblichen Halbwelt unterhalten und erhebliche Schulden gemacht. Da er, wohl infolge seines ausschweifenden Lebens, auf dem Gymnasium nicht vorwärtskam, nahm ihn der Vater von der Schule und hielt ihn auf seinen Gütern zur Erlernung der Landwirtschaft an. Aber auch hier machte der junge Graf erhebliche Schulden und führte ein schwelgerisches Leben. Der Vater schickte ihn schließlich nach Argentinien. Dort machte er es nicht besser. Da er, aus Argentinien zurückgekehrt, sein schwelgerisches Leben in den heimatlichen Gefilden fortsetzte, wies ihn der Vater aus dem Hause. Der alte Graf erklärte sich bereit, dem Sohn eine monatliche Unterstützung von 30 Mark zu

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/148&oldid=- (Version vom 5.1.2023)