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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

Auch der Verlauf der Vorfälle ist glaubwürdig geschildert. Zur Persönlichkeit des Angeklagten ist zu sagen: Er ist aufgeregt, aufbrausend und gewalttätig. Wir wissen auch, daß er sich schon früher der Zimmermann gegenüber vergessen hat. Nur wer sich zu fürchten hat, bestellt seine Schülerin zur Zusammenkunft, anstatt der Nachrede offen entgegenzutreten. Ferner hat der Angeklagte die Untersuchung nicht ehrlich geführt. Kommt dann noch die Grausamkeit zu der Wollust, so ist der Grund für derartige Handlungen gegeben. Da also die Tat psychologisch verständlich ist, so ist auch der Wert der Zeugenaussagen erhöht. Ferner decken sich die Angaben der Zeuginnen mit denen des Angeklagten, und wo zuerst eine Verschiedenheit war, behielten die Kinder recht. Meine Herren! Nach alledem halte ich den Angeklagten in allen Punkten für schuldig. Der Schlüssel für die Tat des Angeklagten liegt darin, daß er durch die eingehende Erörterung der schlüpfrigen Dinge aufgeregt, allmählich zum Äußersten kam. Gegen Versuchungen des Fleisches hilft kein geistlich Gewand. Ich bemitleide den Angeklagten, aber das Gesetz kennt kein Mitleid. Betreffs der Bittgottesdienste ist noch zu sagen, daß sie auf die Zeugnisse und Meinungen der Beteiligten suggestiv einwirkten. Der Oberstaatsanwalt beantragte darauf wegen der Mißhandlung des Werner 20 Mark Geldstrafe, wegen der Mißhandlung der Zimmermann 100 Mark, sodann unter Zubilligung mildernder Umstände wegen Sittlichkeitsvergehen eine durch den Gerichtshof zu beschließende angemessene Gesamtstrafe. Es kommen in Betracht die §§ 223, 240, 174 Abs. 1, 176 Abs. 3 und 43 des Strafgesetzbuchs. – Verteidiger, Herr J.-R. Dr. Schmitt: Meine Herren! Herr Propst war und ist allgemein geachtet, selbst ein evangelischer Prediger hat neulich, von der Unschuld des Herrn Propstes überzeugt, behauptet: Wenn er verurteilt wird, so wird er ein Opfer seines Berufes. Ich beziehe mich zunächst auf den zweiten Punkt der Anklage: Mißhandlung

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/140&oldid=- (Version vom 31.7.2018)