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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

weiß, daß bezüglich des Artikels „Liebesmahl“ vom 19. Dezember 1902 der Strafantrag nicht nur mit Rücksicht auf den Angeklagten Dr. Ries, sondern auch im eigenen Interesse nicht gestellt worden ist. Ich habe mich, im Einverständnis mit dem Angeklagten Dr. Ries, nicht an den Einzelfragen beteiligt, allein die Beweisaufnahme hat doch ergeben, daß im hiesigen Zivilkasino viel und hoch gejeut worden ist und sich an diesem Spiel der Herr Nebenkläger beteiligt hat. Ich habe aus der Verhandlung die Überzeugung erlangt, daß Dr. Ries der Meinung war, das Hasardspiel sei verpönt und strafbar. Die Grenze, wo das gewerbsmäßige Spiel anfängt, ist ja sehr schwer zu ziehen. Ich habe einmal gehört, daß Leute durch Hasardieren in die Lage gekommen waren, ihre Universitätsschulden sämtlich zu bezahlen. Ich würde in diesem Falle ein gewerbsmäßiges Spiel erblicken. Es ist richtig, auch der Angeklagte Dr. Ries hat in seinen jungen Jahren hasardiert und auch am letzten Kaisers Geburtstag in fröhlicher Weinlaune sich verleiten lassen, zu hasardieren. Aber es ist doch ein wesentlicher Unterschied, ob ein junger Lehrer oder ein Erster Staatsanwalt, der mit Recht ein Hüter von Recht und Gesetz genannt wird, hasardiert. Inkriminiert ist lediglich die Behauptung des Angeklagten, der Herr Nebenkläger habe Herrn Früstück, weil er von diesem einmal Geld geliehen, zum Gymnasialdirektor befördert. Ich habe aus der Verhandlung die Überzeugung gewonnen, daß diese Behauptung vollständig falsch ist. Die Verhandlung hat ergeben, daß der Herr Minister die Ernennung des Herrn Früstück zum Gymnasialdirektor nicht veranlaßt hat. Allein es ist doch nicht zu bestreiten, daß Dr. Ries den Glauben haben konnte und jedenfalls auch gehabt hat, Früstück sei befördert worden, weil er dem Minister, als er noch Staatsanwalt war, beim Spiel ein Darlehen gegeben habe. In diesem Falle muß aber nach einer Entscheidung des Reichsgerichts Freisprechung erfolgen. Die Beleidigung

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/82&oldid=- (Version vom 22.5.2024)