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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

Zeugen geladen hat. Es ist selbstverständlich, daß ich in solch später Stunde nicht in der Lage war, mich noch über das, worüber die Zeugen aussagen sollen, sowie über die näheren Umstände zu unterrichten. Ich stelle daher aus diesem Grunde den Antrag auf Vertagung der Hauptverhandlung. Ich muß ebenfalls den Vorwurf mit Entschiedenheit zurückweisen, daß ich bemüht war, die Presse zu beeinflussen. Ich kann nicht anders als diesen Vorwurf des Herrn Staatsanwalts als leichtfertig zu bezeichnen. Ebenso leichtfertig ist der Vorwurf, daß die Verteidigung den Ablehnungsantrag gestellt hat, in der Absicht, die Sache zu verschleppen. Der Verteidigung ist es mit diesem Antrage voller Ernst. Wir haben den Antrag gestellt, um die Würde des Gerichtshofes zu wahren, um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, als könnte ein Urteil gesprochen werden, das nicht über jeden Zweifel der Unparteilichkeit erhaben wäre. Der Ablehnungsantrag richtet sich gegen die Herren Richter als Menschen, nicht aber gegen ihre richterliche Eigenschaft. Inzwischen wurde beschlossen, Rechtsanwalt Wisser als Vertreter des Nebenklägers des Justizministers Ruhstrat zuzulassen. Dieser beantragte ebenfalls, den Ablehnungsantrag abzulehnen. Er könne nicht umhin, auch zu betonen, daß der Antrag augenscheinlich nur gestellt sei, um die Sache zu verschleppen. Zum mindesten sei dem Angeklagten Biermann die Sachlage schon seit langer Zeit bekannt gewesen. Der Umstand, daß der Ablehnungsantrag erst in letzter Stunde gestellt sei, begründe den Vorwurf der Verschleppung. Der Antrag sei auch sachlich in keiner Weise begründet. Dadurch, daß der Richterstand angegriffen sei, seien Richter, deren Namen nicht genannt seien, nicht befangen. Die Sachlage sei wirklich eine solche, daß der Gerichtshof in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung sine ira et studio entscheiden könne. – Nach kurzen Erwiderungen der Verteidiger bemerkte der Vorsitzende, daß die Sitzung bis 12½ Uhr vertagt werde. – Gegen 1¼ Uhr nachmittags

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/43&oldid=- (Version vom 24.4.2024)