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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

4 Uhr, als die Bureaus fast geschlossen waren, den Antrag auf Ablehnung stellten, und daß der Herr Verteidiger des Angeklagten Biermann gleichzeitig die Ladung von 14 Zeugen, die zum Teil aus weiter Ferne, aus Berlin, aus Birkenfeld usw. hierher gekommen sind, beantragt hat. Der Herr Verteidiger muß doch der Ansicht gewesen sein, daß der Ablehnungsantrag nicht durchgehen wird, er hätte andernfalls schon mit Rücksicht auf die großen Kosten die Ladung der Zeugen nicht beantragt. Ich halte den Ablehnungsantrag in keiner Weise für begründet. – Die Herren Verteidiger scheinen eine Reichsgerichtsentscheidung übersehen zu haben, die im zehnten Bande abgedruckt ist. In dieser heißt es ausdrücklich: Ein Richter ist vom Richteramt ausgeschlossen, wenn er in der Sache als Zeuge vernommen, nicht aber, wenn er als Zeuge vorgeschlagen oder geladen worden ist. Man könnte ja andernfalls sofort eine Gerichtsverhandlung vereiteln, in- dem man einen Richter oder sämtliche Richter als Zeugen vorschlägt. Laut § 244 der Strafprozeßordnung ist nur dann die Besorgnis der Befangenheit eines Richters begründet, wenn er oder seine Angehörigen durch die strafbare Handlung verletzt sind. In dem vorliegenden Falle, in dem kein Name genannt ist, kann von einer Besorgnis der Befangenheit keine Rede sein. – Wenn ein Angeklagter berechtigt wäre, jeden Richter abzulehnen, weil er den Richterstand beleidigt hat, dann könnte schließlich der Angeklagte straffrei ausgehen, und wir kämen geradezu zu einem rechtlosen Zustande. Auch der Umstand, daß der Herr Justizminister der Vorgesetzte der Herren Richter ist, kann die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen. Es wäre ja alsdann kein preußischer Gerichtshof zuständig, über eine Beleidigung des preußischen Justizministers zu urteilen. Mir kommt es vor, als sei es lediglich darauf abgesehen, sich die Richter auszusuchen und die Möglichkeit, eine Verhandlung der Sache in Oldenburg zu vereiteln. Andernfalls hätte man, mit Ausnahme des Herrn Oberlandesgerichtspräsidenten, nicht sämtliche

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/41&oldid=- (Version vom 24.4.2024)