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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

dazu bei, das Urteil zu trüben. Ganz besonders liegt eine solche Gefahr bei Abmessung der Strafe vor. Es liegt aber noch eine Reihe weiterer Gründe vor, die bei der Urteilsfindung eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. Herr Dr. Ries ist auch angeklagt, Herrn Landrichter Haake beleidigt zu haben, indem er von ihm behauptete: seine kirchliche Betätigung beruhe auf Heuchelei und Streberei. Wenn ein solcher Vorwurf erhoben wird, dann ist die Besorgnis der Befangenheit begründet. Es muß berücksichtigt werden, daß der Hauptbeleidigte der direkte Vorgesetzte der Herren Richter ist. Aber wenn selbst die Herren Richter sich durch die Angriffe nicht verletzt fühlen und auch Freundschaft, Verwandtschaft usw. nicht als eine Besorgnis der Befangenheit angesehen werden sollten, so ist doch jedenfalls das Standesempfinden verletzt. Fast in jeder Nummer des „Residenzboten“ wird über Mißstände in der Rechtsprechung gesprochen. Es wird einem Schwurgerichts-Vorsitzenden der Vorwurf gemacht, daß er bei Ausgabe von Eintrittskarten Offiziere bevorzugt habe. Es wird über den Militarismus im Richterstand Klage geführt und behauptet, daß Reserveoffiziere bei Anstellung und Beförderung von Richtern bevorzugt worden seien. In einem andern Artikel wird von einer „Oldenburger Protegé-Wirtschaft“ gesprochen, es wird gesagt: der oberste Grundsatz der Oldenburger Behörden sei Maul halten. Es wird bemerkt, daß eine offene Spielhölle in Oldenburg geduldet werde, weil hier die Vetterschaften dominieren. Alle diese Vorwürfe, mögen sie zu Recht oder Unrecht erhoben worden sein, müssen notwendigerweise zum mindesten das Standesempfinden der Herren Richter verletzen. Diesem Empfinden ist auch bereits in den öffentlichen Blättern Ausdruck gegeben worden. Ich muß daher meinen Antrag auf Ablehnung der Herren Richter wegen Besorgnis der Befangenheit aufrecht erhalten. – Staatsanw. Riesebieter: Ich muß meiner Verwunderung Ausdruck geben, daß die Herren Verteidiger erst gestern nachmittag gegen

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/40&oldid=- (Version vom 24.4.2024)