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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

Menschheit allmählich von der Geißel der Syphilis und an- derer Geschlechtskrankheiten befreien. Eine der schlimmsten Leidenschaften ist zweifellos das Spiel, dem alle Gesellschaftsklassen frönen. Welch verheerende Folgen das Börsenspiel gehabt hat, läßt sich auch nicht annähernd schildern. Die Sucht nach schnellem, mühelosem Gewinn führt, trotz aller Verluste, der Börse immer neue Käuferscharen zu, die, da sie zumeist vollständig unkundig, d. h., weder die politischen, noch die Industrie- und Börsenverhältnisse beurteilen können, vielfach große Verluste erleiden. Eine große Anzahl Leute frönt geradezu leidenschaftlich dem staatlich privilegierten Lotteriespiel. Die kleinen Privatlotterien, die Nieten wie Sand am Meere und nur sehr wenige Gewinne im „Glücksrade“ haben, werden von Jahr zu Jahr zahlreicher. Eine wesentliche Verminderung dieser Lotterien wäre im Interesse der Volkswirtschaft sehr zu empfehlen. Am verbreitetsten dürfte das Kartenspiel sein. Solange dies Spiel als bloßes Unterhaltungsspiel betrieben wird, ist gewiß nichts dagegen einzuwenden. Allein die zahlreichen Spielerprozesse haben bewiesen, daß das Kartenspiel vielfach zur argen Leidenschaft wird und oftmals geradezu verheerende, wirtschaftliche Folgen zeitigt. Es sei nur an den großen Spielerprozeß erinnert, der Ende Oktober und Anfang November 1893 fast volle drei Wochen die Strafkammer zu Hannover beschäftigte, in dem der „olle ehrliche Seemann“, der mit einer Roulette die Lande durchzog, eine gewisse Rolle spielte. (Vgl. Bd. 1.) Nicht minder bemerkenswert war der Spielerprozeß gegen den Klub der Harmlosen, der im Oktober 1899 und November 1900 die vierte Strafkammer des Landgerichts Berlin I mehrere Wochen beschäftigte. Das „Kümmelblättchen“, das vor etwa 30 Jahren noch das beliebteste Spiel der Berliner Bauernfänger war, sobald es ihnen gelang, einen neuangekommenen Provinzialen in ein obskures Berliner Vorstadtlokal, genannt „Kaschemme“, zu verschleppen, scheint nebst den Berliner Bauernfängern fast

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/35&oldid=- (Version vom 24.4.2024)