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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

die von dem Juwelier zu erlangenden Gegenstände entweder verwerten wollte, um sich eine Einnahme zu verschaffen, oder daß er sie bei seiner Verkleidung als Frau als Schmuck verwenden wollte. Der Angeklagte Klemmt wußte das. Der Angeklagte Eichbaum ist nach den übereinstimmenden Gutachten der drei Sachverständigen erblich neuropathisch belastet und Transvestit. Nur Dr. Hirschfeld zweifelt infolgedessen an der Zurechnungsfähigkeit Eichbaums. Die beiden anderen Sachverständigen halten den Angeklagten zwar für geistig minderwertig, sind aber der Ansicht, daß seine freie Willensbestimmung nicht ausgeschlossen war. Der Gerichtshof hat sich dem Gutachten dieser beiden Sachverständigen angeschlossen. Die Angeklagten mußten deshalb wegen versuchten Betruges verurteilt werden. Bei der Strafzumessung ist dem Angeklagten Eichbaum seine geminderte Zurechnungsfähigkeit zugute gehalten worden. Strafschärfend fielen aber seine Vorstrafen und die Raffiniertheit seines Vorgehens ins Gewicht. Es muß in der Tat versucht werden, durch eine empfindliche Strafe seine geistige und sittliche Widerstandskraft zu stärken. Auch für den bloßen Betrugsversuch erschien daher die vom Schöffengericht erkannte Strafe von einem Monat Gefängnis als angemessene Sühne. Das gleiche gilt bezüglich der Strafe des Angeklagten Klemmt, bei dem lediglich mit Rücksicht auf seine bisherige Unbescholtenheit das Vorhandensein mildernden Umstandes angenommen worden ist. – Die Verteidiger legten gegen dies Urteil Revision ein. Der erste Strafsenat des Kammergerichts erkannte jedoch auf Verwerfung der Revision. Das Urteil wurde infolgedessen rechtskräftig. Ob Eichbaum die Strafe von einem Monat Gefängnis verbüßt hat, ist nicht bekannt geworden. Vor einigen Wochen wurde gemeldet: Eichbaum habe bei einem Juwelier in Wien, unter dem Vorgeben: Er sei preußischer Offizier und königlich preußischer Kammerherr, dasselbe Betrugsmanöver wie in Potsdam versucht.

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 275. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/279&oldid=- (Version vom 1.8.2018)