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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

Berliner Kriminalpolizei als Homosexueller bekannt. Er (Dr. Kopp) habe in seiner Praxis eine Reihe von Leuten, insbesondere Schauspieler kennen gelernt, die angeblich den unwiderstehlichen Trieb hatten, sich als Frauen zu verkleiden. Er habe einen Schauspieler gekannt, der zur Hundstagszeit mit dem Ränzel auf dem Rücken, in schäbigem Rock und ausgefranzten Beinkleidern durch die Lande zog und wie ein richtiger „armer Reisender“ von Haus zu Haus, Tür zu Tür um seine Gabe bettelte. Ein anderer Schauspieler empfange seine ausschließlich männlichen Gäste als Dienstmädchen verkleidet, mit einem weißen Häubchen auf dem Kopfe. In dieser Tracht wirkte er auch selbst am Kochherde und bereitete allerhand leckere Gerichte. – Kriminalpolizeiinspektor Hans v. Tresckow (Berlin): Er habe seit vielen Jahren bei der Berliner Kriminalpolizei das Dezernat für das Erpressertum. Da dies zumeist auf homosexuellem Gebiet liege, habe er von dem Leben und Treiben der Homosexuellen in Berlin volle Kenntnis. Als er den Angeklagten Eichbaum sah und ihn nur drei Worte sprechen hörte, habe er sofort die Überzeugung gewonnen, daß Eichbaum ein Homosexueller, oder wie es im Berliner Volksmunde heißt, „eine Tante“ sei. Diese Art Leute haben oftmals einen unwiderstehlichen Trieb, Frauenkleider anzulegen, und geben sich die erdenklichste Mühe, die Rolle als Frauen unerkannt durchzuführen. Es sei sehr wohl möglich, daß Eichbaum unter dieser unwiderstehlichen Gewalt gehandelt habe, ohne die Absicht des Betruges gehabt zu haben. – Der Vertreter der Staatsanwaltschaft, Referendar Dr. Weinhold, hielt trotzdem die betrügerische Absicht bei beiden Angeklagten für erwiesen und beantragte je sechs Monate Gefängnis, gegen Eichbaum außerdem wegen Anmaßung des Adels 14 Tage Haft. – Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Alsberg (Berlin) hob zu Eingang seiner Ausführungen hervor, daß die Stellung des psychiatrischen Sachverständigen im vorliegenden Falle eine ganz eigenartige sei. Im allgemeinen

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 267. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/271&oldid=- (Version vom 1.8.2018)