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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

eines Transvestiten, der den größten Teil seines Lebens als Dienstmädchen verbracht hatte. In Berlin wurde vor längerer Zeit ein Polizeibeamter pensioniert, der seinen Ferienurlaub mit Vorliebe im Gebirge als Frau verlebte. Von Transvestiten aus Kriegszeiten erwähnte der Sachverständige der Tochter eines Potsdamer Gastwirtes, Eleonore Prohaska, die unter dem Namen August Renz als freiwilliger Jäger in das Lützower Freikorps trat. Ihr Geschlecht wurde erst entdeckt, als sie im Gefecht bei Göhrde tödlich verwundet wurde. Der Gutachter folgerte aus den bizarren, höchst phantastischen Streichen vieler Transvestiten, der Vorgeschichte des Angeklagten und der grotesken Art und Weise, wie er die Hofdamengeschichte in Szene setzte, daß seine Behauptung, er habe lediglich eine Verkleidungsszene ohne betrügerische Absichten aufführen wollen, in der Tat Glauben verdiene. Der Sachverständige schloß: „Mir scheint diese Seite der Begutachtung auf Grund der Psychologie des Angeklagten und des vorliegenden Falles das Wesentliche. Wenn ich mich aber noch kurz zu der Frage äußern soll, ob und inwieweit bei dem Angeklagten die Bedingungen des § 51 zutreffen, gleichviel ob es sich um einen schlechten Scherz oder ein betrügerisches Komplott handelt, so bin ich zunächst der Meinung, daß die sexuellen Zwischenstufen an sich ebenso für ihre Handlungen verantwortlich zu machen sind, wie die übrigen Menschen. Im vorliegenden Fall besteht aber neben dem transvestitischen Triebe eine so hochgradige Schwächung der Intelligenz und der Hemmungen, daß die Frage nach der vorhandenen Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit bejaht werden kann. Namentlich ist in dieser Hinsicht auch seine Jugend, sowie der periodische impulsive Charakter zu berücksichtigen, der bei seinen Streichen unverkennbar ist.“ – Kriminalkommissar Dr. Kopp (Berlin) bekundete als Zeuge und Sachverständiger: Der Angeklagte Eichbaum sei bei der

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 266. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/270&oldid=- (Version vom 1.8.2018)