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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

Zeuge: Ich weiß ganz genau, daß Eichbaum sagte: Ich muß die Sachen sofort mitnehmen; ich wollte sie auch gerade in die Equipage tragen, als der Kriminalbeamte eintrat. – Oberarzt der Charité, Stabsarzt Dr. Noack (Berlin) erstattete darauf ein längeres Gutachten: Ich habe den Angeklagten Eichbaum sechs Wochen in der Königlichen Charité zu Berlin beobachtet. Nach Aussage der Mutter ist Eichbaum weibisch. Er spielte mit 13 Jahren noch mit Puppen, trug die Kleider seiner Schwester, soll immer sehr nervös und stets voll toller Streiche gewesen sein. Er hat das Gymnasium in Potsdam und das Johannisstift bis Untertertia besucht. Alsdann wurde er, da er sich einem weiteren Schulbesuch abgeneigt zeigte, als Lehrling in das Geschäft eines Kaufmanns gegeben. Nach einiger Zeit bekam er angeblich wieder Lust zum Studium und wollte sich das Einjährig-Freiwilligen-Zeugnis erwerben. Er besuchte die Lehranstalt des Dr. Sonneck in Berlin, hat aber den Unterricht vielfach geschwänzt. Im Juli 1907 bat die Mutter, da sie befürchtete, der Sohn werde vollständig einem lüderlichen Lebenswandel verfallen, um Bestellung eines ganz energischen Beistandes. Anfang Oktober 1907 ist Eichbaum aus einem Eisenwarengeschäft in Warmbrunn in Schlesien, wo er als Lehrling beschäftigt war, entlaufen. Er wurde alsdann in einer Versicherungsanstalt als Schreiber beschäftigt. Im April 1900 wurde er von einer Theatergesellschaft als Schauspieler engagiert. Während seines Aufenthalts in Warmbrunn soll Eichbaum mehrere Diebstähle begangen haben, wofür er vom Landgericht in Hirschberg, Schlesien, mit Gefängnis bestraft worden ist. Er wurde außerdem wegen versuchten Betruges zu 10 Mark Geldstrafe, und wegen vollendeten Betruges in zwei Fällen zu 20 Mark Geldstrafe verurteilt. Im März 1910 hatte er einen Freund in Texas besucht und den Entschluß gefaßt, sich dort eine Apfelsinenfarm zu kaufen. Die Mutter schickte 2000 Mark, um den Kauf der Farm in die Wege zu leiten. Der Angeklagte

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/266&oldid=- (Version vom 1.8.2018)