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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

spurlos verschwunden. Was zwischen dem verstorbenen Lewy und dem Fleischergesellen vorgegangen sei, wisse man nicht. Man wisse auch nicht, ob sich nicht Lewy in der Nacht selbst eine Verletzung am Kopfe zugezogen habe. Es sei auch möglich, daß die Schläge, die Stutzke und Graeber dem Lewy versetzt, den Tod herbeigeführt haben. Jedenfalls sei nicht erwiesen, ob Vergin den Lewy überhaupt auf den Kopf geschlagen habe. Er ersuche daher, die Schuldfragen betreffs Vergin sämtlich zu verneinen. – Gastwirt Schülke, der noch einmal vorgerufen wurde, bemerkte auf Befragen des Vorsitzenden: Vergin habe nur auf Lewy geschlagen, um ihn zum Aufstehen zu veranlassen. Hahn sei ein Antisemit, d. h. ein Judenfeind durch und durch. – Erster Staatsanwalt: Schülke suche nunmehr sein Zeugnis zu drehen. Es sei kein Zweifel, daß eine gemeinschaftliche Mißhandlung begangen worden, wodurch der Tod des Gemißhandelten erfolgt sei. Die Angeklagten haben selbstverständlich nicht den Willen gehabt, den Tod herbeizuführen, das war ein unglücklicher Zufall. – Die Geschworenen bejahten nur die Schuldfrage bezüglich Hahn, verneinten aber die Frage, daß dadurch der Tod herbeigeführt worden sei und billigten Hahn mildernde Umstände zu. Betreffs Vergin verneinten die Geschworenen alle Schuldfragen. – Der Erste Staatsanwalt beantragte gegen Hahn 1 Jahr 6 Monate Gefängnis, gegen Vergin Freisprechung. – Der Gerichtshof verurteilte Hahn wegen gefährlicher Körperverletzung zu einem Jahre Gefängnis und sprach Vergin frei. Der Vorsitzende führte aus: Bei der Strafzumessung hat der Gerichtshof das offene Geständnis des Angeklagten Hahn, seine bisherige Unbescholtenheit, sowie seinen geistigen Zustand in Erwägung gezogen. Andererseits hat der Gerichtshof erwogen, daß die Tat eine außergewöhnlich rohe ist, die in dem Verhalten des Verletzten keinerlei Begründung findet. Die Mißhandlung ist geschehen nach 10 Uhr abends, nachdem

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/249&oldid=- (Version vom 31.7.2018)