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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

konnte er nicht erkennen. Der Bürgermeister eilte mit zwei Polizeibeamten in die Wohnung des Schrader. Dieser, vom Bürgermeister nach der rotweißkarierten Barchentjacke gefragt, leugnete in der ersten Bestürzung, eine solche Jacke zu besitzen. Eine sofort vorgenommene Haussuchung ergab jedoch den Besitz einer rotweißkarierten Barchentjacke. Schrader wurde sofort gefesselt und verhaftet. Es ergab sich auch, daß Schrader bei dem Müllermeister vor einiger Zeit beschäftigt und wegen einer Lohndifferenz entlassen worden war. Schrader, ein vollständig unbescholtener Mann, der sich in Kroppenstedt des besten Leumunds erfreute, beteuerte seine Unschuld. Da aber der Müllerlehrling ihn fortgesetzt mit vollster Bestimmtheit als einen der Männer bezeichnete, der ihn an jenem Abend in der Mühle geknebelt und gefesselt und alsdann die Mühle in Brand gesteckt hatte, so ließ der damalige Erste Staatsanwalt des Halberstädter Kreisgerichts den „verstockten Verbrecher“ dreizehn volle Wochen in doppelte Eisen legen. Schrader, dessen Frau und fünf kleine Kinder buchstäblich Hunger litten, da ihnen der Ernährer fehlte, war jedoch trotz der erwähnten Folter zu einem Geständnis nicht zu bewegen. Es wurde die Anklage wegen versuchten Mordes, Einbruchsdiebstahls und vorsätzlicher Brandstiftung gegen ihn erhoben. Die Geschworenen sprachen ihn in vollem Umfange der Anklage schuldig, der Gerichtshof verurteilte ihn darauf zu 15 Jahren Zuchthaus, zehn Jahren Ehrverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht. – Nach etwa sieben Jahren, an einem kalten Wintertage des 1. Dezember 1876 trat am Breiten Weg in Magdeburg ein junger Mann an einen Schutzmann mit den Worten heran: „Herr Wachtmeister, verhaften Sie mich.“ Der Schutzmann glaubte, einen Irrsinnigen vor sich zu haben. „Bitte, verhaften Sie mich, Herr Wachtmeister,“ wiederholte der junge Mann, da der Schutzmann zögerte, „ich bin der ehemalige Müllerlehrling Ernst Günther aus Kroppenstedt. Im Oktober 1869 habe ich meinem Meister

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/180&oldid=- (Version vom 31.7.2018)