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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

wären. Der Angeklagte hat von Bremen aus die Vorgänge verfolgt. Welches Erstaunen mag ihn erfüllt haben, als er dieses schiefe Bild der Verhältnisse las. Durch diesen Prozeß wurden alle jene Erinnerungen in ihm wachgerufen, wie sie sich ihm als 16 jährigen Kellnerjungen eingeprägt hatten. Er sah den Minister beim Skat, die jungen Herren bei der „Lustigen Sieben“. Für ihn ging alles durcheinander, er konnte das nicht auseinanderhalten. Das alles ging ihm durch den Kopf, als er den Bericht über die Oldenburger Prozesse las. Er sagte sich, das müsse er anders bekunden. Vielleicht wäre er in die ganze Sache nicht hineingekommen, wenn er nicht mit Laturnus gesprochen hätte. Im Vordergrund stand der Minister Ruhstrat und die Hauptfrage mußte lauten: Hat der Minister gespielt? Die Aussage des Zeugen Herzmann ist doch nicht wegzuwischen. Ruhstrat war früher leidenschaftlicher Spieler, und wenn er in der Nische war, wo gespielt wurde, so konnte der Kellner wohl annehmen, er habe mitgespielt. Man hat einen Bieruntersatz mit der Zeichnung für die „Lustige Sieben“ in der Nische gefunden, in der der Minister zu sitzen pflegte. Nun hat ja der Minister unter seinem Eide gesagt, er habe seit 1895 nicht gespielt. Der Minister Ruhstrat mag uns mit Bitterkeit gegenüberstehen, aber wir können ihn nicht schonen. Wir haben das Recht, Kritik an jeder Zeugenaussage zu üben. Sein Verhalten als Zeuge in allen Prozessen war nicht einwandfrei. Die Aussagen des Ministers haben ferner stets bedenklich geschwankt, besonders sind die Angaben sehr verschieden, wann er mit dem Hasardspielen aufgehört hat. Erst hieß es, es sei am Ende der achtziger Jahre gewesen. Dann hieß es, Ende der neunziger, und jetzt heißt es plötzlich im Jahre 1895. Der Minister behauptet, die Beförderung zum Oberstaatsanwalt im Jahre 1895 habe ihn zum Aufgeben des Spiels veranlaßt. Ja, wußte er denn das nicht, als er die erste Erklärung abgab, und diesen Zeitpunkt auf Ende der achtziger

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/172&oldid=- (Version vom 15.7.2024)