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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

Es ist möglich, ich erinnere mich aber nicht. – Es folgte eine dreistündige Vernehmung des Rechtsanwalts Dr. Sprenger, der sowohl jetzt wie in den früheren Prozessen als Verteidiger tätig war. Er schilderte ausführlich den Verlauf der ganzen Ruhstrat-Affäre beginnend mit den Residenzboten-Prozessen bis zum heutigen Tage. Der Zeuge verbreitete sich insbesondere über die Entstehung des bei ihm aufgenommenen Protokolls der Meyerschen Aussage, die den Anstoß zu dem letzten Biermann-Prozeß gab, in dem Biermann zu 1 Jahre 3 Monaten Gefängnis wegen Beleidigung des Ministers verurteilt wurde. Die Aussagen des Meyer und des Laturnus haben naturgemäß viel Aufsehen erregt, weil der Minister noch kurz vorher im oldenburgischen Landtage auf eine Anfrage des sozialdemokratischen Abgeordneten Hug erklärt hatte, die Spielvorgänge lägen 12 bis 14 Jahre zurück, und da verjährten ja selbst Verbrechen. Er (Zeuge) habe die Aussage des Meyer langsam und ruhig zu Protokoll genommen und wiederholt die Mahnung ausgesprochen, die reine Wahrheit zu sagen. Er habe alsdann das Protokoll nebst dem des Laturnus in dem Prozeß gegen den Residenzboten-Redakteur Kruse verwertet. Das Protokoll wurde damals verlesen; darauf habe er es Biermann zur Veröffentlichung im Residenzboten übergeben. Von hier ging es in die übrige deutsche Presse, wo es naturgemäß großes Aufsehen erregte. Ein Druckfehler verschuldete, daß es nicht hieß, der Minister habe bis 1890, sondern er habe bis 1895 gespielt. Dieser Druckfehler wurde geradezu verhängnisvoll, weil die ganze deutsche Presse die Behauptung aufstellte, der Minister müßte einen Meineid geschworen haben. Über diesen Irrtum wurde die Presse erst später in dem Biermann-Prozeß aufgeklärt. Die Presse säumte nicht, ihre Beschuldigung zurückzunehmen, nur der Residenzbote blieb fest bei seinen Behauptungen und forderte den Minister auf, Strafantrag zu stellen. Es gingen trotzdem mehrere Monate ins Land, ehe der Minister sich dazu entschloß. Der Minister

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/168&oldid=- (Version vom 15.7.2024)