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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

als Zeuge zu melden. Sein Bruder habe aber gesagt: „Was ich weiß, kann ich sagen.“ Daß sein Bruder einen Meineid leisten werde, halte er für vollständig ausgeschlossen. – Alsdann betrat die Mutter des Angeklagten, eine ärmlich, aber sauber gekleidete Frau mit sympathischen Gesichtszügen, den Gerichtssaal. Als sie ihren Sohn sitzen sah, begann sie bitterlich zu weinen. Auch der Angeklagte beugte sein Gesicht ins Taschentuch und schluchzte heftig. Es dauerte lange, ehe die alte Frau imstande war, auf die Fragen des Vorsitzenden Antwort zu geben. Sie bekundete, der Angeklagte sei ein sehr guter Sohn gewesen, der ihr große Freude gemacht habe. Er habe ihr all sein Geld mit dem Auftrage gegeben, es auf die Sparkasse zu bringen. Sie hatte das Recht, sich jederzeit einen Betrag von der Sparkasse zu holen. Sie sei daher niemals wegen der Miete in Verlegenheit gekommen. – R.-A. Dr. Sprenger: Das Sparkassenbuch Ihres Sohnes war eine Zeitlang gerichtlich beschlagnahmt, gerieten Sie dadurch in Not? – Zeugin: In gewisser Beziehung allerdings. Die Zeugin bekundete ferner: Die Prinzipale seien sämtlich mit ihrem Sohne und letzterer mit seinen Prinzipalen zufrieden gewesen. Ihr Sohn sei sehr sparsam und ordentlich gewesen. Als ihr Sohn als Zeuge nach Oldenburg geladen wurde, habe sie zu ihm gesagt, er solle nur ja recht vorsichtig sein. Ihr Sohn habe darauf versetzt: Ich kenne ja die Herren nicht weiter, ich. habe also keine Ursache, die Unwahrheit zu sagen. – Hierauf wurde Frau Biermann-Oldenburg, Gattin des Residenzboten-Redakteurs, die schon seit einigen Tagen am Berichterstattertische saß, als Zeugin aufgerufen. Sie bekundete: Bei dem Prozeß Schweynert habe sie auf dem Korridor des Gerichtsgebäudes gestanden, da sie auch als Zeugin geladen war. Als der Angeklagte festgenommen und bei ihr vorübergeführt wurde, sagte er: „Sehen Sie, Frau Biermann, das kommt davon, wenn man in Oldenburg die Wahrheit sagt“. – Vors.: Angeklagter, ist das richtig? – Angekl.:

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/167&oldid=- (Version vom 15.7.2024)