Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5 | |
|
wird Ihnen von keiner Seite ein solcher Vorwurf gemacht werden. Aber weshalb haben Sie nicht in dem Prozeß Schweynert schon Ihre jetzige Aussage gemacht? Da antwortete der Angeklagte: Ich wollte es sagen, aber ich erinnerte mich, daß der Untersuchungsrichter in Bremen zu mir sagte: Das, was Sie hier bekundet haben, müssen Sie beschwören. Ich glaubte daher, ich müsse dabei bleiben, was ich in Bremen gesagt habe, sonst werde ich verhaftet. Außerdem hat Laturnus unaufhörlich auf mich eingeredet, ich solle bei meiner Aussage bleiben. Schließlich begann der Angeklagte zu weinen und sagte: Wenn ich nicht auf meine Mutter Rücksicht genommen hätte, wäre ich längst ins Ausland gegangen. Der Angeklagte hat dies sein Geständnis noch mehrfach bei späteren Vernehmungen wiederholt. Einige Zeit darauf bekam der Angeklagte ein Paket von auswärts. Von diesem Tage an erklärte er: Es sei so richtig, wie er zuerst ausgesagt habe. Schließlich erklärte der Angeklagte: Seine Verteidiger hätten ihm verboten, weitere Aussagen zu machen. Der Angeklagte habe sich über die Behandlung des Polizeikommissars Böning niemals beschwert. – Vert. R.-A. Dr. Sprenger: Meinen Sie nicht, daß der Angeklagte das Protokoll in einem traumhaften Zustande verfolgt hat? Als man das Widerrufsprotokoll verlas, rief er ganz erstaunt: Was, ich habe doch immer gesagt, der Minister habe mit Schmidt und Dr. Schleppegrell „Lustige Sieben“ gespielt! – Zeuge: Ich halte es nicht für glaubhaft, daß sich Meyer in einem traumhaften Zustande befunden habe. R.-A. Dr. Sprenger: Dann beantrage ich die Ladung der Professoren Forel-Zürich und Mendel-Berlin und bitte diese als Sachverständige zu vernehmen, ob es nicht eine psychologische Tatsache sei, daß vor Staatsanwälten, Untersuchungsrichtern und Polizeibeamten häufig falsche Aussagen gemacht werden, weil die Vernommenen fortwährend bedrängt werden: „Du irrst dich, das ist nicht richtig, was du sagst, ist unmöglich.“ So kommt es, daß die Betreffenden
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/129&oldid=- (Version vom 9.7.2024)