Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 4 (1911).djvu/68

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4

eine so furchtbare Erregung hervorgerufen, wie das gegenwärtige, das Sie volle neun Tage beschäftigt hat. Am hellen Tage, als die Kinder im Hofe nach den Klängen eines Leierkastens tanzten, wurde ein kleines achtjähriges Mädchen mißbraucht und ermordet. Zwei Tage darauf wurden an verschiedenen Stellen der öffentlichen Gewässer die zerstückelten Leichenteile des verschwundenen Kindes gefunden. Es war dadurch zweifellos festgestellt, daß das Kind in scheußlichster Weise ermordet worden ist. Als ich nach dem Auffinden der Leichenteile nach dem Hause Ackerstr. 130 kam, da ging ein Schrei der Blutrache nach dem verruchten Mörder. Ja die Hausbewohner verlangten geradezu den Kopf des Angeklagten Berger. Es ging ein Schrei durch das gesamte Publikum, ein Schrei der Entrüstung, der besagt: Wer wird das nächste Opfer sein, das in solch furchtbarer Weise abgeschlachtet werden wird. Wer schützt uns unsere Kinder, wenn es möglich ist, daß so etwas am hellichten Tage in einer belebten Straße Berlins geschehen kann, wenn es möglich ist, daß unsere Lieblinge in dieser Weise niederen Gelüsten zum Opfer fallen. Ihre Pflicht ist es, m. H. Geschworenen, durch Ihren Wahrspruch das Verbrechen zu sühnen, ein Verbrechen, das laut und vernehmlich nach Rache schreit. Die Meinung des Publikums kann und darf Sie selbstverständlich nicht beeinflussen. Sie haben auf Grund der Beweisaufnahme, die Ihnen hier in neuntägiger Verhandlung vorgeführt worden ist, aus freier Überzeugung auf Grund Ihrer Lebenserfahrungen Ihren Wahrspruch abzugeben. Wenn Sie auf Grund freier Beweiswürdigung zu der Überzeugung gelangt sind, der Angeklagte ist der Täter, dann ist es Ihre Pflicht, dieser Ihrer Überzeugung in Ihrem Wahrspruch Ausdruck zu geben. Es haben sich allerdings in der Verhandlung große Schwierigkeiten ergeben. Es hatten sich, ganz besonders aus Anlaß der ausgeschriebenen Belohnung, viele Zeugen gemeldet, die Gehörtes von eigenen Wahrnehmungen nicht auseinanderzuhalten vermochten. Es

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/68&oldid=- (Version vom 1.8.2018)