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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4

Er sei daher der Meinung, daß in den gelb aussehenden Fasern Blut enthalten sei, obwohl keine Blutschollen vorhanden seien. – Gerichtschemiker Dr. Jeserich äußerte sich alsdann über die Blutspuren in der Liebetruthschen Wohnung. Das von ihm an den Wänden der Liebetruthschen Wohnung vorgefundene Blut sei Wanzenblut gewesen. Er habe außerdem die Dielen, das Bett, die Wasserleitung, die Vorhänge usw. untersucht, aber kein Menschenblut gefunden. Auch den Fingerschmutz des Lenz und des Berger habe er bald nach der Verhaftung untersucht, jedoch kein Blut gefunden. Er habe ferner den gefundenen Korb wegen Blut untersucht. Er habe in dem Korbgeflecht Papier und rotblaue Wollfasern gefunden. Er habe heute zum ersten Male gehört, daß die Herren Mediziner rote Wollfasern im Korbgeflecht gefunden haben. Er habe nun die Webung des Stoffes und den Farbstoff aufs genaueste untersucht und sei zu dem Ergebnis gekommen, daß die in dem Korb vorgefundenen Fasern genau von demselben Webstoff herrühren, wie der Unterrock der Lucie Berlin. Ob die Fasern mit voller Bestimmtheit von dem Unterrock herrühren, könne er nicht sagen, da ja, ein solcher Unterrock nicht für die Lucie Berlin allein hergestellt worden sei. Auch das Gewebe der Tragbänder des Unterrocks stimme mit dem im Korbe aufgefundenen Partikelchen in Schuß und Wolle genau überein. Er habe auch den großen Korb, der in der Liebetruthschen Wohnung stand, untersucht. Dieser wies keine Blutspuren, dagegen Tintenflecken, von sogenannter roter Kaisertinte auf. Er habe die Tinte genau untersucht und gefunden, daß die Tintenflecke am großen Korbe mit denjenigen am kleinen Korbe vollständig identisch seien. Da der kleine Korb in dem großen Korbe gestanden habe, so sei es jedem Laien einleuchtend, daß die vergossene Tinte auch auf den kleinen Korb fließen konnte. – Vert.: Die Liebetruth hat gesagt, daß sie niemals rote Tinte besessen habe. – Dr. Jeserich: Dann hat die Liebetruth vielleicht rote Schuhwichse gehabt.

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/65&oldid=- (Version vom 1.8.2018)