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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4

zur Arbeit gehen. Ich schickte daher die Lucie nach, um zu sehen, ob der Vater auch zur Arbeit gegangen sei. Sehr bald kam Lucie zurück mit dem Bemerken: Vater ist zur Arbeit gegangen. Gleich darauf sagte Lucie: Mutti, ich muß aufs Klosett. Ich sagte, nimm den Schlüssel, aber bleibe nicht lange, sonst bekommst du Haue. – Vors.: Weshalb sagten Sie das? – Zeugin: Weil die Lucie immer Bälle bei sich hatte, und ich glaubte, sie werde mit anderen Kindern auf dem Hofe Ball spielen. Sie sollte aber bald wiederkommen, da ich gegen 3 Uhr nachmittags etwas vorhatte. Gegen 11/4 Uhr nachmittags kam mein Sohn Bruno zu Tisch. Dieser fragte, wo Lucie sei. Da die Lucie selbst nach Verlauf von 20 Minuten nicht wiederkam, ging ich nachsehen. Das Klosett war aber verschlossen und der Schlüssel abgezogen. Ich begab mich auf den Hof. Auf diesem spielte gerade ein Leierkastenmann, und die Kinder tanzten, meine Lucie war aber nicht unter den Kindern. Es wurden von den Kindern die verschiedensten Angaben über den Verbleib des Kindes gemacht. Ich suchte mit Hilfe meines Sohnes in der ganzen Umgegend, es war jedoch alles vergeblich, mein Kind blieb verschwunden, ich habe es nicht mehr wiedergesehen. (Die Zeugin weinte wiederum heftig.) – Vors.: Wie war die Lucie gekleidet? – Zeugin: Sie trug ein dunkelbraunes Kleid, eine schwarze, mit weißem Band eingefaßte Schürze, rotbraune Knöpfstiefeletten, weiße, baumwollene Strümpfe und einen rotwollenen Unterrock. Außerdem trug sie ein goldenes Medaillon um den Hals. – Staatsanwalt: Sie sagten vorhin, Sie hätten um 3 Uhr nachmittags etwas vorgehabt. Was hatten Sie vor? – Zeugin: Das ist meine Sache. – Vors.: Frau Berlin, Sie sind verpflichtet, diese Frage des Herrn Staatsanwalts zu beantworten. – Zeugin: Ich hatte in der Leipziger Straße etwas zu besorgen. – Vors.: Kannten Sie die Liebetruth? – Zeugin: Jawohl. Einmal kam Lucie sehr spät zu Tisch. Auf meine Frage, wo sie geblieben sei, sagte sie, sie habe für Fräulein Liebetruth Schabefleisch

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/48&oldid=- (Version vom 1.8.2018)