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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4

gereist? – Zeuge: Jawohl. – Staatsanw.: Woher hat Berger das Geld zum Reisen und zum Handeln genommen? – Zeuge: Soweit ich weiß, hat er sich Geld von seinen Verwandten geborgt. – Staatsanw.: Sie sind auf die sogenannte „Wechselfalle“ gegangen, d. h. Sie sind in Läden gegangen und haben falsches Geld zu wechseln gesucht, Sie sind deshalb mit drei Wochen Gefängnis bestraft worden? – Zeuge: Jawohl. – Die Liebetruth trat vor: Der Zeuge sagt die Unwahrheit, wenn er behauptet: Berger sei nicht gewalttätig. – Landrichter Maßmann: Der Zeuge hat bekundet: Wenn Berger betrunken war, dann ist er im höchsten[WS 1] Maße gewälttätig. – Zeuge Sander gab zu, eine solche Bekundung bei dem Untersuchungsrichter getan zu haben. – Hierauf wurde der 75jährige Drechslermeister Christian Liebetruth, Vater der Johanna Liebetruth, als Zeuge aufgerufen: Er wohne seit 1886 in Berlin. Eines Abends habe er seine damals 141/2 Jahre alte Tochter mit Berger in der Brunnenstraße getroffen. Er habe Berger sofort zur Rede gestellt und ihm gesagt: er warne ihn, seine Tochter zu verführen, da er sich dadurch strafbar machen würde. Es wurde ihm aber berichtet, daß Berger seine Tochter weiter behellige. Er habe auch das Paar einmal in der Stralsunderstraße abgefaßt und von dieser Zeit ab seiner Tochter die Kleider versteckt, damit sie nicht ausgehen konnte. – Vert.: Sie sagten zu Berger, er mache sich strafbar, wie kamen Sie dazu, Ihre Tochter stand doch bereits unter sittenpolizeilicher Kontrolle? – Zeuge: Zu der Zeit noch nicht, da war sie noch ein sehr anständiges Mädchen. – Vors.: Weshalb waren Sie gegen den Verkehr des Berger mit Ihrer Tochter? – Zeuge: Weil er arbeitsscheu war. Als ich ihn einmal zur Rede stellte, sagte er: „ich brauche nicht zu arbeiten; Ihre Tochter ist ja ein sehr hübscher Backfisch, ich will mich von ihr ernähren lassen.“ Da ich sah, daß die beiden jungen Leute sich lieben, so sagte ich zu Berger: Wenn er anständig werden will, dann soll er meine Tochter zur Frau bekommen, er

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: höchten
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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/37&oldid=- (Version vom 1.8.2018)