Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4 | |
|
meine Stellung losgeworden. Ich hätte mich dann – eine halbe Stunde von der russischen Grenze entfernt – mittellos herumtreiben müssen. Die Strafbarkeit meiner Handlungen habe ich damals nicht erkennen können. Da ich jetzt wieder in Stellung bin, möchte ich den Gerichtshof bitten, die vom Staatsanwalt beantragte Gefängnisstrafe in eine Geldstrafe umzuwandeln. – Angeklagter Riemschneider: Ich habe die ganze Sache vom militärischen Standpunkt angesehen. Hätte mir mein Rittmeister etwas befohlen, so wäre ich seinen Befehlen gefolgt. Die Verantwortung hätte natürlich der Vorgesetzte tragen müssen. Von diesem Gesichtspunkte bin ich auch ausgegangen bei meiner Tätigkeit in Mieltschin. Eine Geldstrafe wäre für mich gleichbedeutend mit einer Freiheitsstrafe. Als alter ehemaliger preußischer Beamter würde ich meinem erbärmlichen Leben eher ein Ende machen, als daß ich auch nur einen Tag in Gefängnismauern zubringen möchte. – Angeklagter Brosinsky, für den der Staatsanwalt Freisprechung beantragt hatte, erklärte, daß er schwer finanziell geschädigt sei dadurch, daß der Vertreter der Anklagebehörde ihn gezwungen habe, zehn Tage lang diese Bank zu zieren. Zu Hause säßen Frau und Kinder am Tage des Festes der Freude mit verweinten Augen. Er sei nun nicht in der Lage, ihnen durch Geschenke irgendwelche Freude zu machen; er beantrage daher, ihm eine Entschädigung zukommen zu lassen. Der Vorsitzende belehrte den Angeklagten, daß eine Entschädigung gesetzlich nicht zulässig sei; das Gesetz kenne eine Entschädigung nur für unschuldig in Untersuchungshaft befindliche Personen; da er keinen Verteidiger habe, so seien ihm notwendige Auslagen nicht entstanden. Die übrigen nicht durch Verteidiger vertretenen Angeklagten verzichteten auf das Wort. Sodann wendete sich der Vorsitzende zu dem Angeklagten Breithaupt. – Angeklagter Breithaupt: Mir ist es sehr darauf angekommen, daß aus der Verhandlung ein klares Bild der tatsächlichen Verhältnisse geboten würde. Ich betone auch
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 291. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/295&oldid=- (Version vom 22.12.2023)