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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4

er Gelegenheit hätte, wieder Leiter einer Fürsorgeanstalt zu werden, dann würde er wohl ohne das Zuchtmittel der Prügel auskommen. – Kreisarzt Dr. Böhnke bekundete ferner: Breithaupt sei immer sehr selbstbewußt aufgetreten. Als die Vorfälle in der Öffentlichkeit besprochen wurden, sei Breithaupt sehr deprimiert gewesen. Er habe sich aber mit den unfertigen Zuständen in Mieltschin entschuldigt. Breithaupt sei ein Mann von leicht erregbarem Nervensystem. Er habe am 27. Juli 1909 Winkler untersucht und am Gesäß blaue und grüne Striemen, heftige Anschwellungen und noch andere Spuren äußerer Gewalt festgestellt. Bei Beurteilung der Frage, ob die Züchtigung im Sinne des § 223a des Str.-G.-B., d. h. als eine das Leben und die Gesundheit gefährdende Behandlung anzusehen sei, müsse zunächst festgestellt werden die Zahl und die Wucht der Schläge. – Magistratsrat Dr. Voigt: Winkler habe auf ihn den allerschlechtesten und am wenigsten glaubwürdigen Eindruck gemacht. – Gerichtsarzt Med.-Rat Dr. Hoffmann: Das Einsperren und Anschließen in der Zelle, die Kostbeschränkung waren nicht lebensgefährlich. 30 Hiebe seien auch nicht lebensgefährlich, dagegen seien 50 schon bedenklich; 100 seien zweifellos lebensgefährlich, 149 Schläge wären selbstverständlich im höchsten Grade lebensgefährlich. Er halte aber diese Bekundung für unwahr. Winkler hätte, wenn er wirklich 149 Schläge erhalten, auf keinen Fall arbeiten können. – Dr. med. Bernstein: Winkler sei im höchsten Grade Psychopath und hätte infolgedessen milde behandelt werden müssen. Psychopathen neigen gewöhnlich zu Übertreibungen. Jedenfalls sei Winkler, wie die von ihm vorgenommene Untersuchung ergeben, in unerhörter Weise gezüchtigt worden, die nur vom Standpunkte des § 223a des Strafgesetzbuchs beurteilt werden könne. Er halte 50 Hiebe, ganz besonders, da sie mit voller Manneskraft und der vorliegenden Reitpeitsche verabfolgt wurden, im höchsten Grade für lebensgefährlich. – Alsdann wurde

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 266. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/270&oldid=- (Version vom 18.12.2023)