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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4

Auch schwer zu behandelnde Zöglinge könne man in offenen Anstalten unterbringen, aber dazu bedürfe es der geeigneten Erzieher, und daran habe es in Mieltschin gefehlt. Nach der Aufdeckung der dortigen Zustände sei er von der Waisenverwaltung nach Mieltschin entsandt worden. Bei den Verhören gewann er den Eindruck, daß die Jungen im wesentlichen bei der Wahrheit blieben. Er konnte auch Spuren der Mißhandlungen feststellen. Breithaupt, dessen ganze Persönlichkeit unter der Last der Beschuldigungen zusammenzubrechen schien, habe alles Wesentliche zugegeben. Vom Standpunkt des Arztes erkläre er die Strafen von 50 Peitschenhieben für grausam und barbarisch. In der Waisenverwaltung sei allmählich die Meinung durchgedrungen, daß die Prügelstrafe bedenklich sei. Durch Schläge auf das Gesäß werde das geschlechtliche Triebleben angeregt und oft in falsche Bahnen gelenkt. – Medizinalrat Dr. Hoffmann: In den Schlägen auf die Fußsohlen sehe er nicht eine lebensgefährdende Behandlung. Er glaube, daß sie nicht sehr schmerzhaft gewesen sein können, da doch die Sohle härter als das Gesäß sei. Auch die Kostschmälerung halte er nicht für gefährlich, wenn sie nicht gerade einem sehr schwächlichen Zögling auferlegt werde. Eine direkte Lebensgefährdung nehme er in keinem der erörterten Fälle an. – Die Anklage behauptete weiter, daß der Zögling Ehrlich weil er Fluchtabsichten geäußert hatte, 75 Hiebe erhalten habe. Ehrlich soll zunächst 25 Hiebe von Breithaupt mit dem Spazierstock, alsdann 25 Peitschenhiebe von Engels und darauf 25 Peitschenhiebe von Wrobel erhalten haben. Vors.: Angekl. Breithaupt: Kamen Ihnen denn keine Bedenken, mit dem Spazierstock zu schlagen? – Breithaupt: Nein. Ich habe Ehrlich, weil er den Zögling Drenske geschlagen hatte, später nochmals mit dem Spazierstock geschlagen, es waren aber höchstens 25 Hiebe. – Ein drittes Mal erhielt Ehrlich nach einer Flucht 50 Peitschenhiebe, die Engels und Wrobel verabreichten. – Daß Ehrlich

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/259&oldid=- (Version vom 17.12.2023)