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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4

bekommen, es habe ihm nichts geschadet. Als die Untersuchungskommission nach Mieltschin kam, war von dieser Peitsche zunächst gar nicht die Rede, erst später kam sie zum Vorschein. Er habe auch zweimal mit seinem Spazierstock geschlagen, einmal den Zögling Ehrlich, der sich bücken mußte, und einmal den Zögling Vollbrecht, bei dem er „hinschlug, wo es traf“. Daß auch Gummiknüppel in Gebrauch waren, gebe er zu. Sie seien für die Aufseher für den Fall einer Zöglingsrevolte angeschafft worden, auch zum Schutz gegen Angriffe der polnischen Bevölkerung, die ihn schikaniert und sogar nachts Schüsse gegen seine Wohnung abgefeuert habe. Auch über Schikanen durch Arbeiter, die bei den Bauarbeiten in der Anstalt beschäftigt waren, beklagte er sich. Auf weiteres Befragen des Vorsitzenden sagte Breithaupt: Er habe bis 50 Schläge geben lassen, daß bis 100 Schläge gegeben seien, bestreite er. 50 habe er nicht für zuviel gehalten. Daß er einmal „200 Schläge“ angeordnet habe, erkläre er für möglich, doch habe er nicht damit rechnen können, daß sie wirklich gegeben würden. 100 Schläge für Entwendung eines Hühnereies seien allerdings gegeben worden, aber gerade hier habe er Strenge für nötig gehalten, weil der Bestohlene der Lehrer Wendler war, der ihm nicht wohlgesinnt gewesen sei und sich sonst vielleicht beklagt hätte. Anfangs pflegte er (Breithaupt) selber zu schlagen, dann mußte Engels heran, weil es ihm „direkt widerwärtig“ gewesen sei. Bedenken über die Härte der Strafe und ihre Folgen hatte er nie. Außer Striemen und blauen Flecken habe er keine Folgen bemerkt; wenn später an Zöglingen schlimmere Verletzungen festgestellt worden seien, dann müßten sie diese anderswo, aber nicht in Mieltschin erlitten haben. Der Vorsitzende fragte, wie alt der Jüngste gewesen sei. Breithaupt: 16 Jahre. – Die Arreststrafen wurden anfangs in einem finsteren Hauskeller verbüßt, erst später in einer auf dem Boden angelegten Zelle. In verschärften Fällen

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/238&oldid=- (Version vom 16.12.2023)