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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4

anheimgeben, den Angekl. Dr. Plötz nur wegen des ersten Artikels aus § 186 zu verurteilen. Föllmer und Leckert sen. werden verantwortlich gemacht für den Passus in der Staatsbürger Zeitung“: „Auch will man mutmaßen, daß hinter der Sache Freiherr v. Marschall und der Prinz zu Hohenlohe stehen.“ Das sind schwere Beleidigungen dieser beiden Herren. Föllmer hat diese Preßkundgebung gewollt und auch erreicht. Wenn es nun auch sehr leichtfertig und gewissenlos ist, wenn Herren der Presse mit der Ehre anderer so mir nichts, dir nichts umgehen, so mag doch dem Angeklagten Föllmer zugute gehalten werden, daß er mehr aus Unverstand gehandelt hat. Die üble Nachrede aus § 186 bleibt bestehen. Was Leckert sen. betrifft, so halte ich ihn für nichtschuldig, denn er hat nur im Interesse seines Sohnes gehandelt, ohne Kenntnis der Artikel. Der Angeklagte Berge ist verantwortlich für zwei Artikel, die den Vorwurf enthalten, daß für alles, was irgendwie schlechtes passiert, vom Auswärtigen Amte angezettelt werde. Dieser Vorwurf zieht sich durch zahlreiche Artikel der „Staatsbürger Zeitung“. Es ist kaum glaublich, daß ein Blatt wie die „Staatsbürger Zeitung“ sich dazu versteigen kann, in seinem blinden Haß gegen Herrn v. Marschall so schwere Vorwürfe zu erheben. Diese beiden Artikel tragen durchaus den Charakter von Verleumdungsartikeln, ihre Pointe richtet sich deutlich gegen das Auswärtige Amt. Die Redakteure der „Staatsbürger Zeitung“ haben seit Monaten gegen das Auswärtige Amt gehetzt; es wäre loyal, wenn der Vertreter der Zeitung jetzt nach Schluß dieser Beweisaufnahme, die kein Titelchen eines Verdachts gegen das Auswärtige Amt hat bestehen lassen, mit dem Zugeständnis hervorträte: „Ich habe mich überzeugt, daß ich mich geirrt habe.“ Das wäre loyal und das wäre deutsche Art, die die „Staatsbürger Zeitung“ ja immer zu vertreten behauptet. Bis jetzt hat Herr Berger aber ein derartiges Wort nicht gefunden. Bei der Strafzumessung kommt in Betracht die ungeheuere Schwere der gegen den

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/222&oldid=- (Version vom 12.11.2023)