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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4

nicht zu treffen vermochten. – de Grahl erwiderte: Er sei nicht in demselben Saale gewesen, deshalb konnte ihn Exzellenz v. Lucanus unmöglich treffen. – Um die Glaubwürdigkeit des Zeugen zu prüfen, richtete Rechtsanwalt Lubczynski einige Fragen an ihn, die sich auf die Raumverhältnisse des Breslauer Schlosses bezogen und darauf hinausliefen, daß der Zeuge an seinem Standorte schwerlich überhaupt etwas von der Rede des Russischen Kaisers habe hören können. Der Zeuge erklärte noch, daß er den Hofmarschall Grafen zu Eulenburg überhaupt erst am Sonntag, 5. September, gesprochen habe, um von ihm zu erfahren, wen der Kaiser von Rußland empfangen habe. – Oberstaatsanwalt: Damit erledigt sich wohl die Behauptung, daß Graf zu Eulenburg Ihnen den falschen Text in die Feder diktiert habe. – de Grahl: Das ist eine vollständig erfundene Behauptung. Jeder Journalist von Fach weiß, daß ich meine Hofberichte nicht vom Hofmarschallamt, sondern vom diensttuenden Flügeladjutanten erhalte und daß der Text solcher Reden lediglich vom Geh. Zivilkabinett und niemals vom Hofmarschallamt ausgefertigt wird. Ich wiederhole, daß ich seit 30 Jahren im Dienste des Wolffschen Bureaus stehe und hier infolge Übermüdung ein Versehen begangen habe, das ich ungemein bedaure. – Auf weiteres Befragen bemerkte der Zeuge noch: Unser Kaiser pflegt die Reden, die er im Inlande hält, frei zu sprechen. Die Reden werden von einem Stenographen aufgenommen und alsdann der Wortlaut im Geheimen Zivilkabinett festgestellt. – Angekl. v. Lützow: Angesichts der räumlichen Verhältnisse des Königlichen Schlosses in Breslau war es Herrn de Grahl unmöglich, von seinem Standorte überhaupt etwas zu hören. Eine große Anzahl deutscher, russischer und französischer Blätter haben gemeldet: der Text habe „que mon père“ gelautet, daß dieser Text aber nicht gefallen habe, ebenso wie auf russischer Seite der Hinweis des Kaisers Wilhelm auf die Waffenbrüderschaft

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/157&oldid=- (Version vom 1.11.2023)