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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3

konnte. Dabei rief Naumow aus: „Das ist die Hand, die einen Menschen getötet hat!“ Während der Vernehmung dieses Zeugen machte Naumow den Eindruck eines völlig niedergeschmetterten und gebrochenen Menschen. – Wladimir Pisarew, ein Mitschüler Prilukows, bekundete: Prilukow sei, ehe er die Bekanntschaft der Tarnowska machte, ein überaus tüchtiger und fleißiger Rechtsanwalt gewesen, der 30 000 Rubel im Jahre verdiente. Nachdem er aber dieses Weib kennen gelernt hatte, begann er sofort ein regelloses Leben. – Der folgende Zeuge war der Zenstrow-Präsident Wladimir Pisarew: Er kenne Prilukow seit 25 Jahren. Er war sein Kamerad auf dem Gymnasium und der Universität. Prilukow sei als Rechtsanwalt sehr fleißig gewesen; er nahm auch gelegentlich die Nacht zu Hilfe, um seine Arbeiten zu erledigen. Dabei habe er nicht nur wegen des Geldes gearbeitet, sondern gelegentlich auch seinen Rechtsbeistand umsonst gewährt. Mit seiner Frau lebte Prilukow zwölf Jahre sehr glücklich zusammen. Erst als er die Tarnowska kennen lernte, änderte er sich. Einmal war er (Zeuge) gerade bei Prilukow, als ihn die Tarnowska telephonisch zu sich rief. Prilukow habe ihm gesagt: „Mit dieser Frau kann man nicht arbeiten; sie erlaubt es einfach nicht.“ Übrigens sei Prilukow schon als Knabe sehr nervös und leicht zu beeinflussen gewesen. Die Tarnowska brachte ihn vollends in Unordnung; sie begleitete ihn auf seinen Geschäftswegen und wartete dann auf ihn, bis er seine Angelegenheiten erledigt hatte. – Ein in Petersburg ansässiger, aus Dalmatien stammender Journalist namens Tabrno, kannte Prilukow seit vielen Jahren und hielt ihn eines Verbrechens für unfähig. Um die große Ehrlichkeit Prilukows zu beweisen, erzählte der Zeuge folgende Begebenheit: Als die revolutionären Unruhen in Moskau ausbrachen, hatten die Revolutionäre ein sicheres Depot für ihr Geld nötig. Man vertraute es Prilukow an, da er nicht der Partei angehörte und es daher bei ihm sicherer vor der Polizei war. Als die Unruhen

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/51&oldid=- (Version vom 5.1.2023)