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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3

Eindruck einer höchst verschlagenen Person von großer Intelligenz machte, erzählte ihre Erlebnisse im Dienste der Gräfin Tarnowska. Sie sagte: die Gräfin sei ihr immer eine sehr gute Herrin, aber eine unglückliche Frau gewesen. Sie erzählte, wie die Gräfin die Bekanntschaft Prilukows, dann die des Grafen Komarowski und Naumows gemacht habe. Sie glaube, daß die Beziehungen der Gräfin zu diesen Männern intimer Natur gewesen seien. Die Perier schloß: „Ich liebe die Gräfin, weil sie eine gute Dame ist, und ich würde glücklich sein, wenn ich an ihrer Stelle verurteilt werden könnte.“ Bei diesen Worten ihrer Dienerin brach die Tarnowska in Tränen aus. Alsdann kam die Sprache auf die etwas seltsamen Nervenkrisen der Tarnowska, die die Kammerfrau Perier und eine andere Zofe dadurch lindern mußten, daß sie die Hände und Füße der Angeklagten massierten. Während dieser Prozedur pflegte die Tarnowska dann in einen höchst seltsamen Zustand zu verfallen, während dessen sie allerlei konfuse Reden führte. Diese Krisen kehrten periodisch alle Monate wieder. Vors.: Wer bestritt die Haushaltungskosten in Moskau? Perier: Das Geld wurde stets durch einen Vertrauensmann Prilukows überbracht. Alsdann fragte Prilukow die Perier über die bekannten sadistischen Akte, wobei die Tarnowska ihre Liebhaber peinigte. Vors.: Tat die Dame dies auch mit Ihnen? Perier: Ja. Vors.: Warum? Perier: Aus Laune. Vors.: Tat es Ihnen weh, wenn Ihnen die Tarnowska die Zigarette auf den Arm stieß? Perier: Gewiß tat es mir weh! (Heiterkeit.) Im weiteren Verlauf erbat sich das Wort Angeklagter Prilukow: Ich war nicht darauf gefaßt, daß die Gräfin sagen werde, alles, was sie tat, habe sie meinem Willen gehorchend getan. Aber die zwei Männer, die mit mir im Gefängnis in Wien zusammen waren, müssen bestätigen können, daß ich nur ihre Wünsche zu erfüllen strebte. Sie machte mir vom Fenster nach dem Hofe Zeichen, ich solle alles leugnen. Ich beschloß, mich zu töten. Ich hängte

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/44&oldid=- (Version vom 31.12.2022)