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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3

in Zürich treffen; in Moskau war Naumow bereits mit dem ganzen Plan einverstanden und ich gab ihm ein heiliges Kreuz, das ich am Halse trug. – Alsdann wurde der Briefwechsel zwischen Komarowski und der Tarnowska verlesen. In einem Telegramm des Komarowski ist das Wort „keusch“ enthalten. Die Tarnowska wußte darüber keine Aufklärung zu geben. Auf die wiederholte Frage des Vors., warum sie den Komarowski von der bevorstehenden Gefahr nicht benachrichtigt hatte, erwiderte die Tarnowska, sie glaubte immer, Naumow würde den Mord nicht begehen. Der Vorsitzende verlangte von der Angeklagten Aufklärung über einige Telegramme, die sie nach Podwoloczyska an Naumow gerichtet hatte. Sie sagte, sie habe Naumow ersucht, sich den zur Überschreitung der russischen Grenze notwendigen Paß zu besorgen; denn sie habe befürchtet, wenn sie die Sache verzögere, werde Naumow sich umbringen. Der Vorsitzende warf ein: Es sei anzunehmen, daß Sie den Paß haben wollten, um schnell mit Naumow nach Rußland zurückkehren zu können, um dort das Komplott zu beenden. Sie haben sich von Prilukow entfernen wollen, um auf diese Weise jeden Verdacht von sich abzulenken. Die Angeklagte gab zu, daß diese Telegramme von Prilukow nach ihrem Diktat geschrieben waren. Weiter erklärte die Angeklagte: Es sei Naumow wohl bekannt gewesen, daß Komarowski gleichzeitig mit ihm und ihr in Wien weilte. Ebenso habe er gewußt, daß sie mit dem Grafen nach Venedig gefahren war. Auch Prilukow sei stets über ihre Beziehungen zu den beiden anderen Männern auf dem Laufenden gewesen. – Es wurde alsdann eine Anzahl Briefe verlesen, die Graf Komarowski Ende August und Anfang September 1907 an die Tarnowska geschrieben hat. Sie waren reich an Ausdrücken der größten Zärtlichkeit, enthielten aber auch viele indezente Stellen. Die Angeklagte schien bei der Verlesung einigermaßen in Verlegenheit zu geraten. Sie ließ den Kopf etwas sinken und suchte ihren großen schwarzen

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/41&oldid=- (Version vom 28.12.2022)