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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3

meines Mannes den Rat, ich solle meine Beziehungen zu diesem regeln. Daraufhin schrieb ich an Prilukow, daß ich in den nächsten Tagen nach Moskau kommen würde, um bei ihm als Anwalt Rat zu suchen. Allein ein wütender Hund biß mich damals, so daß ich sehr lange krank daniederlag. Ich schrieb dies dem Prilukow und bat ihn, er möge zu mir nach Kiew reisen. Er kam auch wirklich; er war sehr aufmerksam, brachte mir Blumen, und eines Tages sagte er mir, daß er blinden Gehorsam von seinen Klienten verlange. Im weiteren Verlauf ihrer Vernehmung erzählte die Gräfin Tarnowska ausführlich, wie sich das Liebesverhältnis zwischen Prilukow und ihr entwickelt habe. Es ist nicht wahr, bemerkte sie, daß ich Prikulow genötigt hätte, seine Familie zu verlassen oder daß er durch mich finanziell ruiniert worden wäre. Im Gegenteil, er hatte nichts, während ich in behaglichem Wohlstand lebte. Ich hatte mich zu jener Zeit, an starke Kokaingetränke gewöhnt und unter dem demütigenden Eindruck der Vorgänge, die mich in eine zweideutige Lage gebracht hatten, machte ich den Versuch, mich zu vergiften. Ich wurde gerettet, blieb aber leidend. In Moskau gab mir ein Arzt den Rat, zu meiner Erholung ins Ausland zu reisen. Ich fuhr nach Wien und dann nach Berlin, wohin mir Prilukow nachreiste. Er übergab mir dort eine große Summe, ich glaube 120 000 Kronen. Woher das Geld kam, wußte ich nicht. Wir fuhren dann zusammen nach Paris, wo ich meinen Sohn in einem Internat unterbrachte. Dann fuhren wir, während die Perier nach Neuchatel ging, zusammen nach Marseille und Algier. Dort blieben wir zwei Monate und kehrten dann nach Marseille zurück. Prilukow hatte mir inzwischen gestanden, daß die Summen, die er mir übergab, aus Veruntreuungen herrührten, und schlug mir vor, gemeinsam Selbstmord zu begehen. Ich wollte jedoch nicht. In Paris traf ich mit dem Grafen Komarowski zusammen, der seine Gattin kurz vorher durch den Tod verloren hatte. Ich nahm meinen Sohn

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/37&oldid=- (Version vom 28.12.2022)