Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 3 (1911).djvu/142

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3

Staatsanwalt den Vorwurf erhoben hat, daß gegen die christliche Bevölkerung gehetzt worden sei, muß ich bemerken: Ich konnte seit langer Zeit beweisen, daß die Hetze gegen die genannten christlichen Familien nicht von Juden, sondern von ausgesprochenen Antisemiten ausgegangen ist. Ich habe aber trotzdem das Material nicht verwertet, sondern ruhig zugesehen, wie Zimmer in der „Staatsbürger-Zeitung“ und dem „Konitzer Tageblatt“ gegen die Juden unter antisemitischen Deckmantel weiter hetzte. Es hat mir gestern in der Seele leid getan, daß ich durch die beantragte Vernehmung Zimmers gewissermaßen dessen Existenz vernichtete. Es ist aber die Pflicht des Verteidigers, das Interesse des Angeklagten wahrzunehmen. Es ist mir bekannt, daß Zimmer in der Familie Hoffmann als Freund verkehrte und trotzdem den Verdacht gegen die Familie Hoffmann erhoben hat. Verteidiger Rechtsanwalt Sonnenfeld richtete hierauf an den Ersten Staatsanwalt die Frage, ob er Auskunft geben wolle darüber, daß die Einleitung des Verfahrens gegen Hoffmann und andere christliche Familien auf Veranlassung von Juden geschehen sei. – Erster Staatsanwalt Dr. Schweigger: Ich verweigere hierüber die Auskunft. – Verteidiger Rechtsanwalt Sonnenfeld: Dann beantrage ich, den Kriminalinspektor Braun aus Berlin hierüber zu vernehmen. – Da Braun beim Aufrufe nicht zugegen war, stellte Verteidiger Rechtsanwalt Sonnenfeld an den Ersten Staatsanwalt die Frage, ob er zugebe, daß der mehrfach genannte Stephan auch einige Zeit in seinen Diensten gestanden habe. – Erster Staatsanwalt Dr. Schweigger: Ich nehme keinen Anstand, zu erklären, daß Stephan die Behörde auf eine neue Spur aufmerksam machte, die ohne dessen Mithilfe nicht verfolgt werden konnte, deshalb war Stephan kurze Zeit im Einverständnis mit der Berliner Behörde in meinen Diensten. – Verteidiger Rechtsanwalt Sonnenfeld: Das genügt mir. Ich war erstaunt, daß der Erste Staatsanwalt jetzt besonders betonte: die Unschuld des Angeklagten am Morde sei nicht

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/142&oldid=- (Version vom 21.2.2023)