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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3

sicher, Sie werden das Nichtschuldig aussprechen, Sie werden meinen Klienten freisprechen. – Staatsanwalt Dr. Schweiger: Die Herren Verteidiger haben mich mißverstanden. Ich habe nicht gesagt, ich habe wegen Mordes gegen den Angeklagten nicht den geringsten Beweis, sondern ich habe gesagt: Zurzeit habe ich nicht ein genügendes Belastungsmaterial, um gegen den Angeklagten wegen Mordes die Anklage zu erheben. Die Verteidigung hat auf Verhetzungen gegen die jüdische Bevölkerung hingewiesen. Ich erwidere, daß von Zeitungen, die im jüdischen Sinne redigiert werden, ebenso gegen die christliche Bevölkerung gehetzt wird. Ich erinnere nur an die Verhetzungen gegen die Familie Hoffmann, gegen einen hochachtbaren Beamten und gegen einen hiesigen Lehrer. Der Erste Staatsanwalt ging hierauf nochmals auf die Beweisaufnahme ein und schloß: Der Verteidiger sagte: „Kann man vom Angeklagten mehr Gewissenhaftigkeit verlangen, als er bewiesen hat?“ Gewiß, ich verlange mehr. Ich verlange, daß er die Wahrheit sagt, und wenn er dies tun wollte, dann mußte er sagen: „Ich habe Winter gekannt.“ Ich habe die Überzeugung, Sie werden den Angeklagten schuldig sprechen; denn Recht muß doch Recht bleiben. – Verteidiger Rechtsanwalt Appelbaum: Da der Herr Erste Staatsanwalt den Vorwurf erhoben hat, daß von jüdischer Seite auch gegen die christliche Bevölkerung gehetzt worden sei, beantrage ich, den Brief zu verlesen, den ich hier dem Gericht überreiche, und dazu den Journalisten Zimmer zu vernehmen. – Vors.: Der Herr Erste Staatsanwalt hat nur von jüdischen Zeitungen gesprochen. – Verteidiger Rechtsanwalt Appelbaum: Das ist aber nicht Gegenstand der Verhandlungen gewesen. Ich wundere mich, daß der Herr Vorsitzende das zugelassen hat. – Vors.: Ich muß diesen Vorwurf zurückweisen. Es ist Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen. – Verteidiger Rechtsanwalt Appelbaum: Mit Rücksicht auf den Korrespondenten verzichte ich auf die Vorlesung des Briefes. Nachdem aber der Erste

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/141&oldid=- (Version vom 21.2.2023)