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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3

Religion, die ebenfalls vorschreibt: „Du sollst nicht falsches Zeugnis ablegen wider deinen Nächsten.“ – Verteidiger Rechtsanwalt Appelbaum (Konitz): Meine Herren Geschworenen! Der Herr Erste Staatsanwalt sagte: „Hier im Gerichtssaale finden die Parteileidenschaften keine Stätte.“ Ich stimme dem vollständig bei. Allein außerhalb des Gerichtssaales tobten die Parteileidenschaften furchtbar. Sofort nach der Auffindung der Leichenteile wurde behauptet, die Juden hätten einen Ritualmord begangen. Sogleich war man bemüht, Material zu beschaffen, um zu beweisen, daß zwischen Winter und dem Angeklagten ein Verkehr bestanden habe. Unter diesen Parteileidenschaften wurde das Material gesammelt. Wenn in einer Bevölkerung die Meinung verbreitet ist, daß die Minderheit verbrecherische Neigungen habe, dann wird auch das Urteil getrübt. Es ist doch anzunehmen, daß viele Zeugen unter einer gewissen Suggestion ausgesagt haben. Wenn ein Zeuge aufgetreten wäre, der gesagt hätte: „Ich habe mit Lewy und Winter zusammengestanden und gesprochen,“ wenn ein solcher Zeuge aufgetreten wäre, dann wären alle anderen Zeugen überflüssig. Aber ein solcher Zeuge ist trotz aller Bemühungen nicht beschafft worden. Der Herr Erste Staatsanwalt sagte: „Zeugen, die nichts gesehen haben, beweisen nichts.“ Ich behaupte, dieser negative Beweis ist mit einer solchen Bestimmtheit geführt worden, daß er zum positiven Beweise wurde. Wenn die besten Freunde beider den Verkehr nicht wahrgenommen haben, dann ist der Verkehr möglich, aber nicht wahrscheinlich. Aber sogar die Familie Hoffmann, die beide kannte und dem Angeklagten sogar feindlich gesinnt ist, hat niemals den Verkehr wahrgenommen. Man sollte doch annehmen, daß zwei Liebhaber eines Mädchen sich auch einmal getroffen hätten. Endlich hat die Nachbarschaft von dem Verkehr nichts wahrgenommen. Der Angeklagte war von der Volksmeinung des Mordes verdächtigt worden. Er konnte sich nur vor der Verhaftung dadurch schützen, daß er sich

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/137&oldid=- (Version vom 18.2.2023)