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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3

vollständig harmlos war. Von der Verteidigung ist eine Reihe Zeugen geladen worden, die den Verkehr des Angeklagten mit Winter nicht wahrgenommen haben. Das ist doch aber kein Beweis. Sie können doch nicht sagen, ob der Verkehr nicht stattgefunden hat. Wir haben so viele Zeugen hier gehabt, die mit vollster Bestimmtheit den Verkehr wahrgenommen haben. Eine Anzahl Detektives, die sich Freunde der Wahrheit nannten, wie Wienecke, Schiller, Rauch, sind in jüdischem Sinne bemüht gewesen, diese Zeugen durch Traktieren und andere Mittel zu beeinflussen. Ich bin ein unparteiischer Mann und nehme Zimmer nicht aus. Es ist das der Mann, der innerlich antisemitische, andererseits philosemitische Gesinnung hegte; der mit der rechten Hand die schärfsten antisemitischen Artikel schrieb; der die Behörden in schroffster Weise angriff, und der mit der linken Hand das Geld von Juden nehmen wollte, um im Sinne der Juden tätig zu sein. Solche Leute, die keinen Funken Ehre besitzen, erschweren die Untersuchung. Wir brauchen die Hilfe solcher Leute nicht. Das sind nur Schlachtenbummler. Hinaus mit diesen Leuten, die diese unglückliche Stadt als melkende Kuh betrachten. Die Aussagen für den Schuldbeweis sind so reichhaltig, daß man eine Anzahl Zeugen preisgeben kann. Insbesondere gebe ich preis die Zeugen Lübke und Tochter, Mai, Pruß usw. Es bleiben aber jedenfalls 25 Zeugen, an deren Glaubwürdigkeit nicht zu rütteln ist. Man hat versucht, mit Photographien und Doppelgängern zu operieren. Dieser Beweis ist vollständig mißglückt. Das Ergebnis der Beweisaufnahmeläßt gar keinen Zweifel, daß der Angeklagte Winter gekannt und mit ihm verkehrt hat. Ich ersuche Sie also, die Hauptschuldfrage und die Unterfragen: daß der Angeklagte durch die Wahrheitsbekundung strafrechtliche Verfolgung befürchten konnte, zu bejahen. Ich habe bereits bemerkt: ich habe keinen Beweis dafür, daß der Angeklagte am Morde beteiligt war. Hätte ich irgendeine Unterlage dafür, so würde ich noch heute die Anklage erheben. Da aber ein solcher

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/135&oldid=- (Version vom 18.2.2023)