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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3

ein richtiger Eid gewesen ist. Der Oberstaatsanwalt schloß sich im weiteren Verlauf seiner Rede den Ausführungen des Ersten Staatsanwaltes an und beantragte das Schuldig bezüglich aller vier Angeklagten wegen Meineids, da schwere Widersprüche vorliegen und da für ihre Behauptungen kein Beweis erbracht worden sei. – Verteidiger, Rechtsanwalt Vogel: Es ist bedauerlich, daß man in der jetzigen Schwurgerichtsperiode nicht über den oder die Mörder des Ernst Winter zu Gericht sitzen kann. Statt dessen verhandelt man über Landfriedensbrüche und Meineide. Trotz der Bemühungen aller Behörden ist es nicht gelungen, Licht in das Dunkel der Tat zu bringen. Auch jetzt ist ein positives Ergebnis nicht erzielt worden. Aber der Meinung möchte ich doch Ausdruck geben, daß die Familie Lewy der Tat dringend verdächtig erscheint. Gleichwohl gebe ich zu, daß positive Unterlagen für diese Behauptungen nicht vorhanden sind. Immerhin kann ich mich der Beweisführung der Staatsanwaltschaft bezüglich der Familie Lewy ganz und gar nicht anschließen. Es muß die Tat in unmittelbarer Nähe des Mönch-Sees geschehen sein und von sachkundiger Seite ist augenscheinlich die Zerstückelung des Leichnams erfolgt. So kommt denn als Täter entweder Hoffmann oder Lewy in Betracht. Wenn Fleischermeister Hoffmann den Winter bei irgend einer Gelegenheit überrascht und im Jähzorn niedergeschlagen hätte, so wäre er der Mann gewesen, sich den Gerichten zu stellen und seinen Jähzorn zu büßen. Das ist nicht geschehen, also ist Hoffmann nicht der Täter, und dann bleibt nur das Haus Lewy übrig. Und warum hat Moritz Lewy den Verkehr mit Winter bestritten? Das ist verdächtig. Ebenso verdächtig ist die Tatsache, daß in der Nacht vom 11. zum 12. März im Lewyschen Keller Licht gebrannt hat. Den Alibibeweis des Fleischermeisters Lewy und seiner Söhne am 11. März halte ich zwar für durchaus erbracht, das beweist aber nichts. Ich und meine Mitverteidiger sind nicht der Ansicht, daß Lewy oder einer seiner Söhne an der Mordtat

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/121&oldid=- (Version vom 12.2.2023)