Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3 | |
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niemals existiert. Den Aussagen der Angeklagten steht das Zeugnis der Familie Lewy gegenüber, das unterstützt wird durch eine sehr große Anzahl von Zeugen. Frau Roß will um 7 Uhr, Maßloff um 10 Uhr Wimmern gehört haben. Winter mußte aber schon um 7 Uhr tot sein. Es haben überdies alle Zeugen ausgesagt, daß die Familie Lewy durchaus harmlos ist; dahingegen bezeichnete der Untersuchungsrichter Maßloff und Frau Roß für völlig unglaubwürdig. Unerheblich sind die Angelegenheiten Israelski und Eisenstädt, sowie der Fall Matheus Meyer; sie stehen in gar keinem direkten Zusammenhang mit den Beschuldigungen gegen Lewy. Alle Angaben der Angeklagten sind augenscheinlich erfunden zu dem Zwecke, die ausgesetzte Belohnung zu verdienen. Es haben sämtliche Angeklagte offensichtlich einen Meineid geleistet. – Der Erste Staatsanwalt beantragte schließlich: alle vier Angeklagten des Meineides für schuldig zu erklären. – Oberstaatsanwalt Dr. Lautz: Die Angeklagten haben Behauptungen aufgestellt, die nur dann Sinn haben, wenn man annimmt, daß der Gymnasiast Winter im Lewyschen Hause getötet worden ist. Ist hingegen die Familie Lewy an diesem Tode unschuldig, so sind die Angeklagten schuldig. Nun müssen auch Zeugenaussagen nachgeprüft werden. Es sind nicht immer zwei Aussagen, die sich widersprechen, so zu verstehen, daß die eine bewußt falsch ist. Keineswegs! Im Falle Eisenstädt sind beispielsweise beide Aussagen augenscheinlich nach bestem Wissen gemacht, trotzdem sie sich widersprechen. Die Aussagen Hugo Lewys müssen als zutreffend erachtet werden. Eine besondere Kategorie von Zeugenaussagen sind jene, bei denen vom Blutgebrauch der Juden die Rede ist. Diese Angaben sind sorgfältig zu kontrollieren, obwohl die Zeugen selbst von der Wahrheit dessen, was sie angegeben haben, überzeugt sein werden. Zieht man die Tat selbst in Betracht, so ergibt sich folgendes: Winter kann sein Leben eingebüßt haben durch Mord, durch Totschlag oder durch
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/118&oldid=- (Version vom 12.2.2023)