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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3

Grundlosigkeit jedes Verdachtes herausgestellt. – Frau Prill: Die Angeklagte Roß habe ihr einmal erzählt: Als sie am Sonntag, den 11. März in der Lewyschen Wohnung gesessen habe, sei ihr etwas auf den Schoß gefallen. Dadurch habe sich Winter bei ihr gemeldet, denn in diesem Augenblick sei er ermordet worden. (Große allgemeine Heiterkeit.). – Frau Reichert: Die Angeklagte Berg habe ihr vor Ostern erzählt, daß sie die Wäsche für Lewy besorgt habe. Sie habe dabei einmal ein Laken gefunden, welches merkwürdige[WS 1] „Fusseln“ hatte, entweder waren es Haare oder Wollfusseln. Bei der Wäsche dieses Lakens sei es ihr ganz merkwürdig gewesen, sie habe solch Gruseln dabei verspürt und geglaubt, daß dies das Mordlaken gewesen sei. Von einem Taschentuch habe sie nichts gesagt. Auf ihre (der Zeugin) Frage habe die Berg ausdrücklich erklärt, daß keine Blutflecken auf dem Laken gewesen seien. Von Maßloff habe Frau Berg nur mitgeteilt, daß er das Licht gesehen habe. – Kriminalinspektor Klatt (Berlin): Irgendwelche Tatsachen, die einen Verdacht gegen Personen jüdischen Glaubens rechtfertigen konnten, habe er trotz sorgfältigster Nachforschung nicht entdecken können. Er hätte auch niemals einen Antrag auf Verhaftung auch nur eines Mitgliedes der Familie Lewy gestellt. – Am 13. Verhandlungstage begannen die Plaidoyers. Erster Staatsanwalt Settegast: Ein grauenvoller Mord hat die allgemeine Aufmerksamkeit in hohem Maße erregt. Leider ist es bisher allen Bemühungen von Behörden und Beamten nicht gelungen, den Mörder ausfindig zu machen. Die sogenannte Volksmeinung hat die Behörden nach einer bestimmten Richtung hin zu drängen sich bemüht, aber die mit der Ermittelung und Untersuchung betrauten Beamten haben trotz der eifrigsten und unparteilichsten Prüfung nach dieser Richtung hin nichts zu ermitteln vermocht. Die Beweise waren nicht ausreichend, um daraufhin irgend einen bestimmten Verdacht begründen zu können. Bei dem heutigen Prozesse steht aber nicht der

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: merwürdige
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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/114&oldid=- (Version vom 8.2.2023)