Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
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ohne Waffe. Sein Gesichtsausdruck war ungemein ernst. Hüssener gab auf Befragen des Verhandlungsführer an: Ich wurde zunächst von einem Privatlehrer unterrichtet und kam alsdann auf das Realgymnasium in Gelsenkirchen. Nach einem halben Jahre wurde ich längere Zeit krank und mußte deshalb die Schule verlassen. Nachdem ich genesen war, wurde ich wieder vorbereitet. Inzwischen waren meine Eltern von Gelsenkirchen nach Essen übergesiedelt. Ich besuchte dort das Realgymnasium und verließ es als Obersekundaner. Alsdann trat ich in das Seekadettenkorps ein. Am 10. April 1901 bin ich auf S. M. Schulschiff „Blücher“ eingetreten. Am 11. Mai 1901 wurde ich vereidigt. Ich bin einmal wegen Unordnung in meinen Sachen mit einem Tage Quartiersarrest und weil ich einem Kameraden gestattet hatte, unbefugterweise in meiner Wohnung zu nächtigen, mit acht Tagen Mittelarrest bestraft worden. Am 21. März d. J. habe ich die Offiziers-Hauptprüfung bestanden. – Verhandlungsführer: Ihr Führungsattest lautet: Führung gut, stark affektiert, ist wenig wählerisch in seinem Privatverkehr, sehr aufgebracht. Wenn er diese Fehler ablegt, dann dürfte er sich zum Seeoffizier eignen. Ein weiteres Zeugnis lautet: Wenig begabt, Führung gut, ein sehr aufgeregtes Wesen. Eignet sich wenig zum Vorgesetzten. Verhandlungsführer: Durch Ihre Schuld hat ein Mädchen einmal ein Auge verloren? – Angekl.: Als ich 12 Jahre alt war, wollte ich ein Mädchen, das hinter einer Mauer stand, erschrecken. Ich schlug mit einem Stock über die Mauer und traf das Mädchen so unglücklich, daß es ein Auge verlor. – Verhandlungsführer: Nun erzählen Sie den Vorgang vom Ostersonnabend. – Angeklagter: Ich ging am Spätabend des Ostersonnabend vom Hagen 2 eiligen Schritts nach der Brandstraße. Ich wollte mich in das Lokal Schlicker begeben, woselbst mich mehrere Freunde erwarteten. Da sah ich einen Soldaten in stark angetrunkenem Zustande, so daß ihm der Speichel vor dem Munde stand, dicht vor der Müllerschen Restauration. Ich wollte verhüten, daß der Soldat noch
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/95&oldid=- (Version vom 11.5.2020)