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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

Frau Gönczis Bekundung erst nach 73/4 Uhr abends wiedergekommen. Nach Ausweis des Kursbuches reicht diese Spanne Zeit vollkommen aus, um nach Hannover zu fahren, dort die Depesche aufzugeben und um 7 Uhr wieder hier zu sein. Ist dies aber möglich, so entschwindet der Gedanke vollkommen, daß eine dritte Person an dem Morde beteiligt sein könnte. Die Aussagen der Raffalski, wonach der Angeklagte am 18. nachmittags vor seinem Laden gesessen habe, sind nicht beweiskräftig, denn, während alle übrigen Zeugen in dieser Mordsache nach bestem Wissen und Gewissen die reine Wahrheit gesagt haben, ist dies von der Raffalski nicht zu sagen; mindestens ist die Raffalski unsicher.

Nachdem der Staatsanwalt noch den Nachweis geführt, daß die Depesche aus Hannover von Gönczi selbst verfaßt sei, fuhr er fort: Meine Herren Geschworenen, ich habe das feste Vertrauen zu Ihnen, daß Sie sich in Ihrem Urteil nicht dadurch beeinflussen lassen werden, weil der Mord mit Todesstrafe geahndet wird. Der einzige Zweifel könnte darüber auftauchen, ob ein Fall des Raubes vorliegt, oder ob zwei Fälle vorliegen, denn es kann angenommen werden, daß er erst beide Frauen beseitigen mußte, bevor er rauben konnte.

Was die Ehefrau Gönczi anlangt, so bin ich der Meinung, daß sie als Mittäterin nicht in Frage kommt. Ich glaube, daß das, was Frau Gönczi hier gesagt hat, der Wahrheit entspricht. Die Angeklagte hat es aber unterlassen, der Behörde von dem geplanten Verbrechen ihres Ehemannes Anzeige zu machen zu einer Zeit, als die Ausführung noch verhindert werden konnte. Sie ist auch der Hehlerei schuldig, denn sie hat die geraubten Schmucksachen an sich gebracht. Demnach rechtfertigt sich wegen dieser Schuld der Angeklagten deren Untersuchungshaft. Ich möchte dies besonders betonen, damit nicht, wenn Frau Gönczi freigesprochen werden sollte, wieder in den Zeitungen ein Spektakel darüber losgeht, daß man die Angeklagte in Haft behalten hat. – Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Herbert Fränkel: M. H.! Ich gebe von

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/87&oldid=- (Version vom 31.7.2018)