Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
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der Zeit zwischen 9 und 11 Uhr vormittags geschehen sein. Genaue Zeitangaben sind natürlich unmöglich. An demselben 14. August hat der Angeklagte dem Dr. Schlesinger schon gesagt: die Frauen seien verreist. Er mußte daher an diesem Tage schon wissen, daß die Frauen auf Nimmerwiederkehr verschwunden waren. Das unstete Droschkenfahren des Angeklagten am 14. August ist ganz durchsichtig; er wollte ein Alibi haben und schleunigst an den Ort der Tat zurückkehren, um alles, was dort passiert ist, beobachten zu können. Das ist die Lösung der Sache. Schon am 13. August hatte der Angeklagte dritten Personen mitgeteilt: die Frauen hätten sich so geärgert, daß sie zu verreisen gedächten. Er hat daher schon am 13. die Absicht gehabt, die Frauen aus der Welt zu schaffen, und diesen Moment mögen die Geschworenen festhalten. Die Beweisaufnahme hat klipp und klar ergeben, daß der Angeklagte schon am 14. vormittags die erfolgte Abreise der Frauen nach Brüssel und Paris mitgeteilt, während nach seiner Darstellung die Abreise erst am 14. abends und zwar nach Hannover stattgefunden hat. Am 14. hat sich dann der Angeklagte im Besitz der Schlüssel befunden, am 15. war er schon im Besitz von Brauhaus-Aktien und der Sklaskaer Kohlen-Obligationen. Da seine Behauptung, daß er sie am 15. von Löwy erhalten habe, durch die Beweisaufnahme als falsch erwiesen ist, so ergibt sich als Fazit: der Angeklagte hat die Wertpapiere schon am 14. geraubt und der Mord ist bereits am 14. August geschehen.
Dann kommen die Kisten in Betracht. Es ist wohl zu beachten, daß der Angeklagte schon am 15. August morgens von dem Beschaffen von Erde gesprochen hat. Als Pflugmacher den Keller geöffnet hat, sah er zwei längliche Kisten stehen, die jedenfalls damals noch leer waren. Am 16. August hat sich nach dem Zeugnis der Frau Gönczi diese mit ihrem Manne nach der Königgrätzer Straße begeben und zwei schwere Kisten von dem Hinterzimmer nach dem Keller getragen. Der Angeklagte sage nun, wie er das Kunststück
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/85&oldid=- (Version vom 1.8.2018)