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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

zu ermitteln, seien gescheitert. Der Angeklagte sei nicht weiter gekommen, als daß die Schwester in der Nähe der Kaiser Wilhelm-Gedächtniskirche wohnen solle und daß bei seinen Versuchen, die Wohnung der Schwester festzustellen, immer merkwürdigerweise Herr Löwy hindernd dazwischen getreten sei. Der Untersuchungsrichter gab noch eine Reihe klassischer Beispiele von der Lügenhaftigkeit des Angeklagten. Letzterer hatte behauptet, daß er die beiden Frauen um 4 Uhr nach dem Bahnhofe begleitet habe. Gegen den Vorhalt, daß damals der Zug nach Hannover erst um 7 Uhr abging, hatte der Angeklagte nur nichtssagende Einwände. Auch bei anderen Punkten konnte ihm die absolute Unwahrheit seiner Behauptungen sofort vorgehalten werden. Er (Zeuge) habe sich die denkbar größte Mühe gegeben, alles aufzuklären, und obgleich er selbst fest davon überzeugt war, daß alle Angaben des Angeklagten über den angeblichen Löwy pure Lügen waren, habe er eifrigst geforscht, ob nicht doch ein Körnchen Wahrheit dabei sei. So habe er sich einen Plan von Brüssel kommen lassen und mit dem Kriminalkommissar v. Kracht sich alle erdenkliche Mühe gegeben, um festzustellen, wo Gönczi in Brüssel gewohnt habe. Und das Ergebnis sei gewesen, daß bei der Abführung Gönczi zu dem Gerichtsdiener gesagt haben soll: Wenn die denken, sie können mich mit so was fangen, dann irren sie sich. Der Zeuge schloß mit der nochmaligen Versicherung, daß sämtliche von ihm abgefaßte Protokolle nicht mehr und nicht weniger enthalten, als die Vernehmungen Gönczis tatsächlich ergeben haben. – Gönczi, vom Vorsitzenden aufgefordert, sich zu äußern, erklärte in höchst theatralischer Weise, heftig gestikulierend und mit vibrierender Stimme, daß er nur das, was er bisher gesagt habe, wiederholen könnte. „Als ich zum Herrn Untersuchungsrichter hineingeführt wurde, empfing mich dieser mit den Worten: Sie sind der Mörder! Sie müssen ein Geständnis ablegen! Ich sagte: Nein, ich kann kein Geständnis ablegen, ich bin kein Mörder. Darauf hab’ ich alles erzählt,

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/77&oldid=- (Version vom 1.8.2018)