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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

erschießen. Er telegraphierte an seine Schwiegermutter und seinen Vater. Beide willigten dann in die Heirat, um die Ehre des Mädchens zu retten. Alsdann begab sich der Angeklagte mit seiner Frau nach Washington, studierte noch 6 Semester und wurde dann als außerordentlicher Professor für römisches Recht an die St. Georg Washington Universität berufen. Sehr bald ging er aber mit dem Generalkonsul Dr. Schönfeld nach Konstantinopel, ohne jedoch geschäftliche Erfolge zu erzielen. Als er nach Washington zurückkehrte, wurde er Rechtsanwalt; in Wirklichkeit phantastischer Spekulant, der sich schon im Geiste als Millionär oder gar als Milliardär sah. Auf diesem Wege strauchelte er. Seine Frau sagte einmal: „Es wäre bedeutend besser gewesen, wenn er Professor geblieben wäre.“ Der Staatsanwalt schilderte alsdann das ausschweifende Leben des Angeklagten in Konstantinopel, die Einlösung des Schecks in Wien usw. Der Angeklagte hatte sein ganzes Vermögen und das seiner Frau fast vollständig verjubelt. Er hatte noch etwa 5000 M. in seinem Besitz. Da kam er mit seiner Frau nach Baden-Baden. Die Frau, die ihm Gastfreundschaft gewährte, unter deren Dach er wohnte, erkor er sich zum Opfer, um in Besitz von Geld zu kommen. Er machte mit seiner Frau und seiner Schwägerin Olga eine Vergnügungsreise nach Paris. Von dort sandte er ein Telegramm mit der Unterschrift seiner Frau nach Baden-Baden, in dem es hieß: „Komme sofort mit nächstem Zuge. Olga sehr krank.“ Da hatte der Angeklagte bereits seinen Mordplan gefaßt. Mit nächstem Zuge sollte Frau Molitor nach Paris kommen. Wäre Frau Molitor mit nächstem Zuge gefahren, dann wäre sie in später Nachtstunde auf dem Ostbahnhofe in Paris eingetroffen. Der Ostbahnhof in Paris liegt gänzlich außerhalb des Weichbildes der Stadt. Wäre Frau Molitor mit dem nächsten Zuge nach Paris gereist, dann wäre sie höchstwahrscheinlich schon in der Hauptstadt Frankreichs ermordet worden. Frau Molitor tat aber dem Angeklagten nicht den Gefallen, mit dem nächsten Zuge nach Paris zu fahren. Von Paris fuhr der Angeklagte

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/50&oldid=- (Version vom 31.7.2018)