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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

das sein erstes Verbrechen, wenn auch die Tat mit Einwilligung seiner Frau geschehen war. Der Angeklagte hat in dritter Reihe namenloses Unglück über seinen alten Vater gebracht, der vor Schmerz einen Schlaganfall erlitten hat. Das vierte Unglück hat der Angeklagte über das einzige Kind gebracht, das der Ehe des Angeklagten entsprossen ist. Wenn auch das Kind sich in einem Alter befindet, daß es sein furchtbares Schicksal, das es betroffen, noch nicht versteht, so liegt doch die Befürchtung nahe, daß eine ungeschickte rauhe Hand das Kind über sein Schicksal in späteren Jahren aufklärt. Welch furchtbares Schicksal für das Kind, zu erfahren: Der Vater ein Mörder, die Mutter hat sich selbst den Tod gegeben. Dies sind die vier Verbrechen, deren sich der Angeklagte schuldig gemacht hat. Nach dem Buchstaben des Gesetzes kann der Angeklagte nur wegen des hier zur Anklage stehenden Verbrechens zur Rechenschaft gezogen werden. Wegen der drei weiteren Verbrechen hat sich der Angeklagte nur vor seinem Gewissen und dem Richterstuhle der Moral zu verantworten. Dreiviertel Jahre sind seit jener furchtbaren Bluttat in der idyllischen Bäderstadt Baden-Baden verflossen. Daß die Angelegenheit erst jetzt zur Verhandlung kommt, ist nicht zu beklagen. Wir können jetzt wenigstens ohne Erregung und Leidenschaft an die Beurteilung der Sache herantreten. Ich werde versuchen, Ihnen in möglichst knapper Form den Lebenslauf des Angeklagten zu schildern. Nachdem er in Köln und Trier das Gymnasium besucht und das Abiturienten-Examen gemacht, hat er in Freiburg und Berlin studiert, 1901 ging er auf ärztliches Anraten nach Ajaccio, dies war für ihn verhängnisvoll. In Ajaccio lernte er seine Frau kennen. Da seine Schwiegermutter die eheliche Verbindung nicht zugeben wollte, wußte er seine spätere Frau zu überreden, 2000 M. auf ein Sparkassenbuch zu erheben und mit ihm zu entfliehen. Nachdem das Geld zu Ende war, entschloß er sich, mit seiner Frau zu sterben. Er schoß auf seine Frau mit deren Willen, verwundete sie und fand alsdann nicht den Mut, sich selbst zu

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/49&oldid=- (Version vom 1.8.2018)