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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

sein? – Zeuge: Das mag sein, jedenfalls lehne ich es ab, über das, was mir der Angeklagte gesagt hat, Zeugnis abzulegen, selbst auf die Gefahr hin, daß das Zwangsverfahren gegen mich angewendet werden sollte. (Große Bewegung im Zuhörerraum.) – Vert.: Ich beantrage, gegen den Zeugen das Zwangsverfahren anzuwenden. Die Sache ist doch zu wichtig, als daß ich auf das Zeugnis des Herrn Lenk verzichten könnte. – Vors.: Vielleicht teilt der Angeklagte mit, was er dem Zeugen mitgeteilt hat, wir kämen dadurch über das sehr mißliebige Zwangsverfahren hinweg. Zunächst ersuche ich Sie, Herr Verteidiger, anzugeben, welche Fragen ich dem Zeugen vorlegen soll. – Vert.: Ich beantrage, den Zeugen zu fragen, 1. ob der Angeklagte ihm Mitteilungen gemacht hat, 2. in welcher Stimmung sich der Angeklagte befunden hat, 3. im Falle der Bejahung der Frage zu 1: was ihm der Angeklagte mitgeteilt hat. – Zeuge: Ich erkläre, daß mir der Angeklagte Mitteilungen gemacht hat. – Vors.: In welcher Stimmung befand sich der Angeklagte? – Zeuge: Diese Frage kann ich nicht ohne weiteres beantworten. – Vors.: Weshalb nicht? – Zeuge: Ich war 14 Tage mit dem Angeklagten zusammen im Gefängnis. Wenn ich die Frage ohne weiteres beantworte, dann könnte das zu falschen Schlüssen führen. (Lautes Bravo im Zuhörerraum.) – Vors. (mit erhobener Stimme): Das Publikum hat sich jeder Beifalls- und Mißfallsbezeugung zu enthalten. Sollte sich ein solcher Vorgang wiederholen, dann werde ich den Zuhörerraum unverzüglich räumen lassen. (Zum Zeugen gewendet): Wollen Sie also die zweite Frage beantworten? – Zeuge: Im allgemeinen kann ich nur sagen, der Angeklagte war außergewöhnlich aufgeregt. – Vors.: Und was hat Ihnen der Angeklagte mitgeteilt? – Zeuge: Darüber verweigere ich die Aussage. Wir haben uns gegenseitig das Wort gegeben, über unsere Unterhaltung gegen niemanden etwas verlauten zu lassen, ich fühle mich verpflichtet, dies mein Wort zu halten. – Vors.: Hatte auch der Angeklagte die Vermutung, daß Sie zu ihm gesetzt worden seien, um ihn auszuhorchen?

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/35&oldid=- (Version vom 31.7.2018)