Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 2 (1911).djvu/307

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

dem Eide bekundet, daß sie mindestens sechs- bis siebenmal mit ihm zusammengekommen sei, und auf die Verteidigung haben die Szenen, die sich abgespielt haben, insoweit Eindruck gemacht, daß die Erklärung abgegeben wurde, Sternberg wolle das nicht weiter bestreiten. Die Callis hat bekundet, sie habe nur deshalb die Unwahrheit gesagt, weil man ihr in Aussicht gestellt hatte: wenn du schwören mußt und fällst mit der Geschichte herein, dann bekommst du Geld und gehst ins Ausland.

Die Teichert lügt. Sie hat nach dem Bilde Sternberg ursprünglich erkannt und sagt jetzt, er ist es nicht. Sie braucht ja nicht zu schwören! Sie hat 500 M. bekommen; ihre Eltern leugnen, daß sie die 500 M. bekommen hätten. Das mag sein; die Teichert ist eben eine verdorbene Person, und es kann ja sehr leicht sein, daß sie die 500 M. mit ihren Freundinnen verjuxt hat oder sonst irgendein Abnehmer ihr dabei geholfen hat. Die Teichert war damals schon ein verdorbenes Mädchen; Sternberg hätte sich sagen müssen, daß sie auch unter 14 Jahre alt sein könne, und er hat sich dies auch gesagt. Es liegt also mindestens der dolus eventualis vor.

Ist der Angeklagte also schuldig, so tritt die Frage nach mildernden Umständen und nach dem Strafmaß heran. Der Angeklagte Sternberg hat das vorige Mal milde Richter gefunden, und es kann im Fall Woyda auf eine höhere Strafe, als das vorige Gericht festgesetzt hat, nicht erkannt werden. Aber das muß ich sagen: wenn irgendeinem Angeklagten keine mildernden Umstände zugebilligt werden können, dann ist es der Angeklagte Sternberg. Wer sich so verteidigt, wie sich Sternberg verteidigt hat, geht der mildernden Umstände unter allen Umständen verlustig. Es streift an das Undenkbare, daß der Mensch es gewagt hat, die Spur der Behörde von sich abzulenken auf einen andern Mann, von dem er ganz genau gewußt hat, daß der es nicht gewesen ist. Das hat er nicht nur in der ersten Instanz, sondern auch noch in der zweiten Instanz getan. Daß er als Maler aus Frankfurt bei

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 299. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/307&oldid=- (Version vom 31.7.2018)