Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
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Woyda bewußt gelogen hat, daß sie sich die ganze Sache ausgedacht, so gibt es keine Motive für ihren Umfall, so muß man zu dem Ergebnis kommen, daß Frida Woyda damals nach bestem Wissen Erlebtes erzählt hat. Das würde aber nicht ausreichen zur Überführung eines Mannes; die Aussagen eines solchen Kindes können keine bindigen Beweismittel abgeben, und kein Richter würde darauf allein verurteilen. Aber es kommen noch viele Momente hinzu. Frida Woydas Aussage wird in objektiver Beziehung durch zahlreiche andere Momente unterstützt. Was Frida Woyda ausgesagt hat, behauptete sie nicht von einem sittenreinen Mann, sondern von einem Manne wie Sternberg. Wir wissen aus seinem Vorleben so viel, daß er seit vielen Jahren in ausgedehntem Maße Ehebruch mit jugendlichen Personen getrieben hat, daß schon 1885 ein solches Strafverfahren gegen ihn geschwebt hat, das aber fallen gelassen werden mußte, weil objektiv feststand, daß damals das betr. Mädchen den Eindruck eines siebzehnjährigen machte. Nun haben wir ja dank der eigenen Unvorsichtigkeit Sternbergs eine ganze Reihe von Zeugen, die gegen ihn sprechen. Wir sehen wohl alle noch die Szene vor uns, als die Verteidiger nach der Vernehmung der Pfeffer offen erklärten, daß sie nun nicht mehr an eine Konspiration der Pfeffer mit Herrn Stierstädter glauben. Da stand dann Herr Sternberg auf und redete nach seiner bekannten Art so viel, daß er sich schließlich ins Unglück redete, daß er Fräulein Pfeffer in Erregung brachte, in welcher sie dann mit allem auspackte, was sie auf ihrer gequälten Seele hatte. Da haben wir denn alle die Beschuldigungen gehört, mit denen sie das Verlangen Sternbergs nach jungen Mädchen, die aber „noch nicht alte Weiber von 15 und 16 Jahren sein durften“ klar darlegte, ferner alle die scheußlichen Zumutungen, die er ihr selbst gemacht hat, als sie hungerte und darbte, und endlich die Frivolität, mit der er ihr, die sich gegen diese Zumutungen mit dem Hinweis auf das Zuchthaus sträubte, sagte: „Na, was machen für Sie ein paar Jahre Zuchthaus?“ Das
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/303&oldid=- (Version vom 31.7.2018)